Jetzt ist Schluss! Wir machen nicht mehr weiter, wir hören auf. Nach 25 Jahren und 75 Ausgaben ist dies der letzte Schwerpunkt, das letzte Heft der ZAG. Nach langen Diskussionen und schmerzlichen Einsichten hat sich die Redaktion entschieden die Zeitschrift einzustellen.
Eine antirassistische Zeitschrift tut not. Das wurde uns in letzter Zeit häufiger gesagt. Vielleicht hätten wir dies früher hören müssen. Hätten wir bei größerer Resonanz nicht diesen Schlusspunkt gesetzt? Vielleicht sind unsere Leser*innen schuld? Mehr Zuspruch, stärkere Reaktionen auf die Zeitschrift, vielleicht hätten wir es uns nochmal überlegt und anders entschieden. Vielleicht haben wir auch zu seichte, zu moderierende, zu vermittelnde Texte veröffentlicht. Wer will sich schon an etwas reiben, das so anschmiegsam wie die ZAG daher kommt. Oder doch vielleicht mehr Katzenbilder?
Jetzt, in diesen Zeiten, hört ihr auf? Die AfD, der Rechtsruck – es gäbe doch wahrlich viel zu berichten. Selbstverständlich haben wir den unheimlichen Zuspruch, den Populist*innen erhalten, mitbekommen – die ZAG berichtete darüber. Rechte Populist*innen sind weltweit in den Parlamenten präsent. Gesellschaften mit starken demokratischen Institutionen geraten unter Druck. In den USA, Brasilien, Israel, der Schweiz, der Türkei, in der gesamten EU schlägt die Stimmung um: demokratische Vermittlung, journalistische Arbeit wird nicht gerade hochgeschätzt.
Doch bei all diesen Hiobsbotschaften, es gibt gute Gründe für uns als Redaktion und Herausgeber*innen mit dieser Zeitschrift ein Ende zu machen. Zum einen haben wir es nicht geschafft, unsere Redaktion zu vergrößern. Das hat viele Gründe. Unsere Arbeitsweise war stets von Pluralität gekennzeichnet. Eine gemeinsame Meinung der Redaktion gab es selten – und nur in seltenen Fällen haben wir es für nötig befunden, eine gemeinsame Haltung nach außen zu kommunizieren. Das hat Vorteile. Wir mussten nicht unbedingt einer Meinung sein und konnten dennoch zusammen arbeiten sowie eine Ausgabe nach der anderen herausgeben.
Das heißt nicht, dass wir uns nicht gestritten hätten. Die inhaltliche Diskussion bedeutete aber nicht, dass wir beim nächsten Treffen weniger waren, unsere Gruppe sich gespalten hätte. Die Konflikte waren eher unterschwellig. Zum Teil waren wir über 15 Jahre Mitglied der Redaktion. Da schleifen sich so manche seltsamen Verhaltensweisen und auch Verletzungen ein. Das hat uns auch immer wieder vor die Aufgabe gestellt damit umzugehen. Im Zuge einer Mediation haben wir beispielsweise unsere Arbeitsweisen verändert und strukturiert (s. a. ZAG 64 „Linke Diskussionskultur“). Sich zu überlegen, was jede*r möchte, hilft – und es hilft auch entsprechend zu handeln. Im Laufe der Zeit haben sich immer wieder einzelne entschieden zu gehen, aus persönlichen Gründen, Familie, Berufstätigkeit, Unzufriedenheit mit der Effizienz der Redaktionsarbeit oder Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieser antirassistischer Publikation angesichts der brutalen Gewalt auf der Straße.
Vielleicht aber hat sich auch die Zeitschrift überlebt? Gegründet wurde die ZAG vor 25 Jahren. Der rassistische Mob feierte sich selbst: Hoyerswerda, Lichtenhagen. Die Einschränkung des Asylrechts durch das Parlament. Ein Staat, der es zulässt, dass Faschist*innen mordend durch die deutsche Pampa ziehen – und bis heute laufen die Täter*innen noch frei herum. Aus dieser Situation wurde die ZAG geboren.
Vielleicht ist die ZAG ein Generationenprojekt, und wir haben es nicht geschafft ihr ein neues Gewand zu geben. Zwar haben wir stets auf das Layout geachtet, aber sie war gewissermaßen altbacken – aus Papier, analog. Den Generationenwechsel nicht hinbekommen zu haben, müssen sich wohl die letzten ins Poesiealbum schreiben lassen. Selbstverständlich, auch andere Projekte haben den Generationenwechsel nicht geschafft. Als letzte erklärtermaßen antirassistische Zeitschrift sind halt wir übriggeblieben – und nun ist unser Ende gekommen.
Vielleicht hätten wir früher Schluss machen sollen? Als es ein wenig besser aussah als heute. Hosega, Pegida, NSU, AfD, identitätssuchende Leersprecher. Heute scheint die Situation nicht so anders zu sein als in den 1990ern. Doch es ist anders, und wir sind es auch. Mit all den Erfahrungen einer 25-jährigen Geschichte befrachtet, bleiben wir angesichts einer sich verändernden Welt kaum dieselben. Heißt das nun wir geben auf?
Nein. Dass aber die ZAG nicht mehr erscheinen wird, ist eine sichtbare Veränderung für alle. Wenn es nicht nur die anderen sind, sind es womöglich die eigenen Leute, die uns zur Aufgabe zwingen? Angesichts der moralisch rigide geführten Auseinandersetzung um antideutsch und Weißsein, diese ermüdenden, häufig moralisch statt politisch geführten Diskussionen, ein guter Grund. Da sind Identitätssuchende am Werk, denen es ganz wichtig ist, wer sie sind. Wichtiger als Bündnisarbeit, Respekt oder Diskussion.
Unsere Ziele – und wir denken, wir haben zumindest diese erreicht – sind die Vermittlung von Theorien, die Dokumentation antirassistischer Praxis und eine Plattform für Aktivist*innen zu sein. Das soll uns bitte jemand nachmachen. Wir bitten dringend darum.
Eure ZAG - antirassistische Zeitschrift