„With a little help from my friends“, wie schön, sangen die Beatles in einer Zeit, in der politische Bewegungen für Bürgerrechte und gegen Krieg auf der Straße präsent waren. Präsenter als heute. Doch selbst in den sechziger Jahren waren nicht alle Menschen freundlich und nett. Genauso wie heute war Hilfe nicht gleichbedeutend mit Selbstlosigkeit oder Solidarität. Sie ist mancherorts auch gar nicht erwünscht. Dann wird Hilfe aufgezwungen, dann wird Hilfe zu Eigennutz unter dem Deckmantel der Unterstützung. Entwicklungshilfe und Solidaritätsarbeit sind Formen der Unterstützung, in der diese Problematik von Zwang und Freiwilligkeit, Not und Nötigung, Unterstützung und Eigennutz greifbar werden.
Die ZAG möchte in dieser Ausgabe die veränderte politische Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit und von Projekten internationaler Solidarität diskutieren. Unter dem Titel „Hilfe, die Helfer kommen“ geht es uns um Paternalismus, Abhängigkeit, Kolonialismus und Flucht.
Entwicklungshilfe soll den politischen Aufbau und die wirtschaftliche Stabilität fördern sowie die globalen Lebensbedingungen angleichen. Institutionen wie die UNO (mit der WHO oder der FAO), der IWF und die Weltbank, die EU mit ihren verschiedenen Finanzierungsinstrumenten sowie verschiedene Nationalstaaten mit ihren Projekten und bilateralen Abkommen gestalten maßgeblich die internationale Entwicklungszusammenarbeit. Doch der Begriff der Entwicklung selbst wird von postkolonialen Ansätzen kritisiert – wer soll sich wohin entwickeln und was bedeutet dann entwickeln – und der Vorwurf des Eurozentrismus steht im Raum. Die Kritik richtet sich insbesondere gegen Modernisierungstheorien à la Parsons, Rostow und Gerschenkorn, die bereits am Anfang des historischen und gesellschaftlichen Prozesses wissen, wohin die Reise geht: in das Amerika der 1960er Jahre. Seitdem haben einige Schockwellen die globale Wirtschaft durchgerüttelt und dennoch sind diese modernisierungstheoretischen Ansätze aktuell und verbreitet.
Die internationale staatliche Entwicklungszusammenarbeit der BRD ist nicht allein auf die Unterstützung der Menschen vor Ort oder die Armutsbekämpfung ausgerichtet. Sie ist zu großen Teilen an neoliberalen wirtschaftlichen Vorstellungen orientiert. Mittlerweile wird der Entwicklungspolitik eine strategische Rolle in wirtschaftlichen, außen- und sicherheitspolitischen Bereichen zugeschrieben (siehe zuletzt Koalitionsvertrag vom 18. Februar 2018 zwischen CDU, CSU und SPD im Bundestag). Die Afrika-Konferenz in Berlin im Vorfeld des G20-Gipfels in Hamburg hatte zum Ziel, private Investitionen in Afrika im Rahmen eines „Marshallplans für Afrika“ zu fördern. Dabei geht es hauptsächlich um die Förderung von Privatinvestitionen durch den Staat. Welche Art von Politik und Wirtschaft wird mit diesem Geld gefördert, wessen Ziele werden hier verfolgt?
Der sicherheitspolitische Aspekt der staatlichen Entwicklungszusammenarbeit bekommt zusätzliches Gewicht. Darin wird ein entscheidender Hebel gegen Terrorismus und Migration gesehen. Durch die politische und wirtschaftliche Stabilisierung der Gesellschaften vor Ort bzw. der jeweiligen Regierungen soll Bürgerkriegen und politisch militantem Unmut der Boden entzogen werden. „Ertüchtigungsmaßnahmen“ im Gewand der Armutsbekämpfung werden zu den bevorzugten Maßnahmen der europäischen Entwicklungshilfe, wie Lösing und Wagner beschreiben. Hinzu treten Vereinbarungen der EU mit transsaharischen Staaten wie dem Niger und Senegal, die auf den Fluchtrouten liegen. Diese sehen, so beschreibt es Christian Jakob in seinem Beitrag, den Einsatz von Frontex, der europäischen Grenzschutzeinheit, vor und militarisieren weiter die vorgelagerte Migrationskontrolle. Doch Fluchtursachen liegen nicht nur in Instabilität begründet, sondern auch in den autoritären Regimen, wie der arabische Frühling gezeigt hat. Zudem ist die Armutsbekämpfung, die eines der offiziellen Ziele der Entwicklungspolitik ist, mancherorts selbst Auslöser für die Migrationsbewegungen, wie z. B. im Falle der Enteignung von Bäuer*innen zum Vorteil großer Agrarunternehmen, die für den Weltmarkt produzieren, wie der Text „Entwicklung durch Enteignung“ beschreibt.
Die mit der Entwicklungszusammenarbeit verfolgten Ziele und ihre Mittel sind Teil des Problems und widersprechen sich teilweise. Wie soll die ökonomische Stabilisierung der Binnenmärkte funktionieren, wenn IWF und Weltbank Gelder nur im Gegenzug zu neoliberalem Sparkurs und Öffnung der Märkte geben? Wie sollen politische Fluchtursachen bekämpft werden, wenn autoritär regierte Staaten wie Ägypten unterstützt werden? Oder wenn deutsche Entwicklungsgelder an die Zustimmung zu Rücknahmeabkommen geknüpft werden, welche die innenpolitische Situation wie bspw. in Tunesien verschärfen?
Selbst die deutsche Geschichte wird im Rahmen der außenpolitischen Bedeutung der Entwicklungszusammenarbeit zurechtgebogen. Kolonialismus gilt als zivilisatorische Leistung. Verdrängt wird das Leid und die Erniedrigung, die damit einhergingen. Wie der deutsche Staat auf die Forderungen nach Wiedergutmachung des Völkermords in der ehemaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika durch namibische Initiativen reagiert, zeigt der Text von Kathleen Rahn „Vom ‚Völkermord‘ zu ‚Gräueltaten‘“.
Neben der staatlichen Entwicklungshilfe gibt es eine Vielzahl privater Initiativen, die mit Menschen andernorts zusammenarbeiten. Öffentlich präsent sind sie vor allem durch Nothilfe bei Katastrophen sowie Flucht vor Bürgerkrieg und Terror, Spendensammlungen für Hilfsprojekte wie Schulen oder Gesundheitsversorgung. Wie gestaltet sich diese Art der Zusammenarbeit im Gegensatz zu staatlicher Entwicklungshilfe? Hat man früher noch von Völkerfreundschaft und internationaler Solidarität geredet, geht es heute um eher kleinteilige Hilfe. Wohin ist das Ziel der Befreiung und Emanzipation verschwunden?
Mit der „Iuventa“ hat die Organisation „Jugend rettet“ solch ein solidarisches Projekt gestartet. Solidarisch, weil es ganz einfach Leben rettet; politisch, weil es die Verachtung klar macht, mit der die EU Menschen auf der Flucht begegnet. Ein anderes Beispiel ist die bemerkenswerte „Willkommenskultur“, die in Deutschland im Zuge der im Sommer 2015 neu eingetroffenen Geflüchteten um sich griff; nicht politisch motiviert engagierten sich viele Menschen neu in der Flüchtlingshilfe. Das dabei bestehende Machtgefälle und wie es sich auflösen ließe, reflektiert der Beitrag von glokal e.V.