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Die Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein

Jana Krtek

Vor über 30 Jahren erschien die Erstauflage dieses längst zum Klassiker gewordenen Buchs. Damals neu war der in der Regel ignorierte, wenn nicht vehement bekämpfte, Fokus auf Alltagsrassismus und institutionellen Rassismus. Rassismus war in den 1980ern üblicherweise auf das NS-Rassemodell reduziert. Damit waren einzelne Zeitgenoss_innen in Ämtern, Behörden und in der »Ausländerarbeit« vielleicht ausnahmsweise ein wenig vorurteilsbeladen. Auch wussten eigentlich alle, dass die »Ausländer« an die hoch überlegene deutsche Kultur herangeführt werden müssen. Aber rassistisch waren alle auf keinen Fall. Besonderes Augenmerk legte daher das Buch auf die Arbeit im sozialen Bereich. Dort war und ist meist das Bewusstsein für den Widerspruch zwischen »gut gemeint« und »gut« kaum vorhanden, da die Arbeit ja »sozial« ist, ergo nicht rassistisch sein kann. Die geringe Entwicklung seither macht die Notwendigkeit dieser Neuveröffentlichung aus. Frappierend oder auch schockierend ist, dass fast alle Themen seit der Erstveröffentlichung 1986 auch heute noch die Debatte bestimmen.

Die hervorragende Einleitung, die gekonnt und jenseits der oft polarisierten Auseinandersetzungen und polarisierenden Veröffentlichungen auf aktuelle Debatten wie beispielsweise um das Konzept »Rassismuskritik« statt »Antirassismus« oder »Critical Whiteness« eingeht, ist allein schon den Kauf wert.

Hier wird auch auf die unerquicklichen Evergreens hingewiesen, wie etwa »die Integration« als Voraussetzung des »Dazugehörens«. Bis heute fehlt bei den Integrationsredner_innen jeder belastbare Gedanke, was der Inhalt dieser Worthülse jenseits von beliebigen, willkürlich sich ändernden Forderungen zur Unterordnung und Anpassung sein soll.

In einer Endlosschleife geführt werden die inzwischen unzählbaren »Kopftuchdebatten«. Alle verlaufen entlang der ewig gleichen zwei Linien – zum einen der Linie patriarchaler Unterwerfung bzw. Frauenrechte, zum anderen der Linie Zeichen kultureller Identifikation. Dass diese Debatte ein Zeichen einer zutiefst rassistischen Gesellschaft ist, ist den wenigsten Beteiligten klar, weshalb der Untertitel »Die Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein« das Grundproblem treffend charakterisiert.

In Zeiten der AfD erfreut sich das Pseudoerklärungsmuster der »Ängste« der »Abgehängten«, »Marginalisierten« oder sich davon »bedroht Fühlenden« als Motor des Rassismus trotz aller gegenteiligen Untersuchungen, Forschungen und Statistiken nach wie vor weiter Verbreitung. Dass hier vielmehr Normalisierungspraxen, die Zurichtung durch Unterwerfung sowie die Hinterfragung der eigenen Versagungen und dem daraus erhofften Gewinn als Aggressions- und Rassismusquelle wirken, rüttelt dann doch ein wenig zu sehr an den Fundamenten, als dass eine breite Rezeption auch nach über 30 Jahren zu erwarten wäre.

Wären noch »die Werte« zu erwähnen. Ob westlich, ob christlich-abendländisch oder ob besonders zynisch jüdisch-christlich tituliert, werden sie in der Regel mit dem derzeitigen euphemistischen Rasse-Substitut »Kultur« kombiniert. Sie haben die Nachfolge der Schädelvermessung mit Bravour angetreten und sind gleichzeitig ein Paradebeispiel des Wandels und der Flexibilität des Rassismus.

Schon in der der zweiten und dritte Auflage enthielt das Buch den Text von Philipp Cohen zu Antisemitismus, Rassismus und Antirassismus im Vereinigten Königreich. Die Neuauflage wurde um eine Kritik antirassistischer Erziehungskonzepte von Klaus Holzkamp und einer Analyse zu institutionellem Rassismus als gesellschaftliche Form der Herrschaftssicherung von Ute Osterkamp erweitert. Da es den Umfang des Artikels sprengen würde, auf diese sehr lesenswerten Beiträge einzugehen, ist also die Anschaffung unumgänglich. Denn das Buch bietet sowohl eine Basis rassismuskritischer Reflexion der gesellschaftlichen Bedingungen als auch antirassistischer Praxis. Die Kenntnis (eigener) rassistischer Muster hilft im Kampf gegen eine strukturell rassistische Gesellschaft und hilft »gut gemeinte«, unbewusst paternalistische Verhaltensweisen, Ansätze und Konzepte zu reduzieren.              

Rassismus. Die Schwierigkeit, nicht rassistisch zu sein. Annita Kalpaka, Nora Rätzel, Klaus Weber (Hg.), Texte kritische Psychologie 7, Argument Verlag 2017. 314 Seiten, 13 Euro. ISBN 978-3867548137.

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