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Fünfzig Jahre im Auftrag des Kapitals

ZAG

Besser spät als nie. Dieses Buch fand ich in einer Kleiderkammer, Schrein des Wegwerfkapitalismus. »So wie wir heute leben, haben wir nie gearbeitet« resümiert Edgar Most die DDR. Der »soziale Banker« erzählt ohne Ostalgie oder Volksverherrlichung, wie ein funktionierendes System durch Marktanarchie, Westkonzerne – aber auch den Hunger der eigenen Konsumenten – durch die Wand gefahren wurde. Sein Urteil, der Lebensstandard in der DDR sei »zu hoch« gewesen, sollte uns zu denken geben, jetzt wo Einkaufszentren statt Fabriken die Kultur der Ostbürger bereichern.

Most, »oberster Banker der DDR« und Gründer der ersten Privatbank in den neuen Bundesländern (DKB) war einer der wenigen DDR-Funktionäre, die in der BRD eine Spitzenposition in der Wirtschaft erreichten. In seiner Biographie kritisiert er den Ausverkauf der Ostwirtschaft und Kohls katastrophale Währungsunion.

Der kleine Banklehrling aus der Provinz lernte sein Handwerk auf der Großbaustelle der Ölraffinerie Schwedt. Danach Studium auf dem zweiten Bildungsweg und Aufstieg durch alle Abteilungen. Seine Reisen führten ihn in den 1970ern bis nach Georgien und Kuba (wo er behauptet, die Staatsführung davon abgehalten zu haben, das Geld abzuschaffen; Kambodscha war noch nicht geschehen).

Auch ohne glühender Kommunist zu sein – die Stasi gab ihre Bemühungen auf, nachdem er ihren Anquatschversuch öffentlich durch seine Abteilung posaunte – konnte Most ein gutes Leben in der DDR führen, ohne Repressalien oder Elend. Seinen Auftrag als Banker sah er stets darin, das gute Leben für alle zu sichern, indem die Betriebe laufen und die Leute ihren Lohn bekommen.

Frei von Eigenlob ist seine Biografie sicher nicht, aber interessant wird sie durch ihre Kritik der gelobten Wiedervereinigung. Obwohl Most eher wie ein Christdemokrat klingt (die CDU existierte ganz legal in der DDR!), scheint es, was er wirklich an der DDR bereute, ist ihr Ende. Er starb vor wenigen Jahren als einer, der von SED-Veteranen und Vorständen der Deutschen Bank gleichermaßen geachtet wurde und dem Normalbürger gänzlich unbekannt sein dürfte. Kurzweilige Erzählungen eines rüstigen Rentners, räumt auf mit Vorurteilen, ohne sperrige K-Gruppen-Lehrsätze.

Der Verlag, Rohnstock Biographien, ein Ostberliner Familienbetrieb führt interessante Zeitzeugenberichte über den »Staatssozialismus«, die sogar jammernden Anarcho-Wessis verlässliche Fakten für ihre Verurteilung des letzten deutschen Friedensstaats geben dürften. Innenansichten eines Bankers statt SPIEGEL-Propaganda aus dem Mund eines Punkers.   

Edgar Most: Fünfzig Jahre im Auftrag des Kapitals. Gibt es einen dritten Weg? Rohnstock Biografien: Berlin 2009. 288 Seiten, 9,95 Euro. ISBN: 978-3360019608

 

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