Es brennen wieder die Flüchtlingsheime. Menschen werden aufgrund ihrer Hautfarbe aussortiert, kontrolliert und gegängelt. Der Mob jagt Geflüchtete durch die Straßen. Eine Partei wie die AfD ist im Hier und Jetzt im Erstarken und wird noch von vielen belächelt. Heute fallen Sätze wie »kriminelle Ausländer raus« nicht mehr nur von NPD-Naziglatzen, sondern werden vom Innenminister unseres Landes und sogar der parlamentarischen »Linken« propagiert (siehe ZAG72 Biedermänner).
Wenn Beamte des Staatsapparats den Rassist*innen und Nazis der AfD zujubeln und für sie kandidieren, dann kann man getrost den Vergleich zur Weimarer Zeit ziehen. Wenn unsere Demokratie unterlaufen wird von Höcke-Fans und Petry-Jüngern, die von einem reinen, weißen Deutschland träumen und »den Anderen« alles Übel in die Schuhe schieben wollen, dann muss eigentlich allen klar sein, wo wir gerade stehen.
Es geht nicht nur um rechte Rocker*innen, NSU-Täter*innen und -Helfer*innen, Heimanzünder*innen und Totprügler*innen. Es geht auch und vor allem um den Umgang mit den rechten Tätern, um den Widerwillen der deutschen Gesellschaft, sich mit diesem dreckigen, hasserfüllten Teil Deutschlands auseinanderzusetzen. Wenn der Verfassungsschutz lieber seine Quellen schützt, als Naziterror aufzuklären; wenn Bombenleger als »unpolitische Waffennarren« dargestellt werden; wenn Gesetze gegen Ausländer am Fließband produziert, aber nicht schärfer gegen den Rechtsterrorismus vorgegangen wird; wenn Nazis und Holocaust-Verharmloser in der Mitte der Gesellschaft ankommen, dann muss die Gesinnungsfrage an die deutsche Gesellschaft gestellt werden.
Die schleppende Aufarbeitung der NSU-Morde lässt viele Menschen, skeptisch werden. Die offizielle These des Tätertrios, denen ein »unwissender« Unterstützerkreis zuarbeitete, ist mehr als lückenhaft. Auch die zahlreichen Ermittlungspannen, das Vernichten von Beweisen und die Behinderung von Ermittlungen sowie der Tod von zahlreichen Zeugen nähren Verschwörungstheorien.
Yunus Özak kritisiert im Schwerpunkt dieser ZAG, dass Menschen die die offizielle Version der NSU-Morde anzweifeln, vorschnell als Verschwörungstheoretiker abgestempelt werden. Gleichzeitig zeigt er auf, wie der »NSU-Komplex« tatsächliche Verschwörungsideologen anzieht, welche mit gradlinigen Narrativen ihre ganz eigenen »Einzeltätertheorien« knüpfen. Die Gefahr hierbei ist, dass der Rassismus der Ermittlungsbehörden und großer Teile der deutschen Gesellschaft untergeht und einer anonymen, außenstehenden Minderheit von Verschwörern die Schuld zugewiesen wird. Dies lässt weder eine Aufklärung des NSU-Komplexes zu, noch erlaubt sie die Auseinandersetzung und Aufarbeitung von gesamtgesellschaftlichem, institutionellem Rassismus.
Mit dem 2. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss des Bundestages beschäftigen sich Paula Tell und Killian Behrens. Von Merkels »lückenloser Aufklärung« ist hier nichts zu spüren. Die Autor*innen kritisieren sowohl die Blockadehaltung der Ermittlungsbehörden, als auch die lückenhafte Aufarbeitung und den wiederholten Ausschluss der Öffentlichkeit. Auch fehlt im Ausschuss die Auseinandersetzung mit institutionellem Rassismus der Ermittlungsbehörden und gesamtgesellschaftlichem Rassismus.
Aufklärung und Gerechtigkeit für die Hinterbliebenen der NSU-Morde forderten am 6.11.2016 rund 1.000 Demonstranten in Berlin unter dem Motto: »In Gedenken an die Opfer des NSU-Komplex. Rassismus tötet! Konsequenzen jetzt!« Der Bericht zur Demo zeigt das Engagement der Initiativen und Hinterbliebenen. Für sie ist zentral, für die Betroffenen rechter Gewalt einzutreten und an sie zu erinnern.
Fabian Virchow beschäftigt sich mit dem Rechtsterrorismus in Deutschland seit 1945. Er unterscheidet zwischen antikommunistischem, antisemitischem sowie gegen Migrant*innen und gegen Feinde des »völkisch homogenen« Deutschlands gerichtetem Rechtsterrorismus. Zwar befinde sich die völkisch/nationale Rechte in Zeiten der AfD in der Offensive, dies hält Rechtsterroristen jedoch nicht davon ab, weiter Anschläge zu verüben.
Rassistische Gewalt und Terror möchten verletzen und zerstören. Dies ist für die Betroffenen traumatisierend und lähmend. Darüber hinaus zielt rechter Terror auf Angst und Einschüchterung seiner Gegner*innen und versucht so seine Vorstellung von Minderwertigkeit und Fremdheit in die Tat umzusetzen. Um dies aufzubrechen, muss der Rassismus, der zentral für die neonazistische Ideologie ist, benannt und bekämpft werden.