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Biedermänner

Der Rassismus aus der »Mitte der Gesellschaft« gibt den Brandstiftern Zunder

ZAG

Es brennt in Deutschland. Der Rechtsterrorismus nimmt stetig zu, während die Aufklärungsquoten gering bleiben (siehe Call 73: Brandstifter). Die AfD hat in Mecklenburg-Vorpommern bei der Landtagswahl Anfang September mehr Stimmen bekommen als die CDU und wurde zweitstärkste Kraft nach der SPD. Viele Zeitgenossinnen und Zeitgenossen zeigen zurzeit auf das AfD/NPD-Pack und rufen: Da sind die Brandstifter! Haltet sie!

Das greift zu kurz.

Vielmehr ist es der Rassismus aus der Mitte der Gesellschaft, es ist der Rassismus der Biedermänner, der die Brandstifter unterstützt. Es ist zum Beispiel der Rassismus der CDU/CSU, die sich mit ihrem Vorstoß zur Flüchtlingspolitik von Anfang September als Regierungsflügel der AfD profiliert hat. Es ist der Rassismus von Gabriel, der »Obergrenzen« für ein Menschenrecht fordert und damit dessen Abschaffung betreibt. Sogar Sarah Wagenknecht versuchte sich im rassistischen Stimmenfang unter dem Motto »Deutsche zuerst« und erntete Applaus von der AfD.

Dieser verbreitete Rassismus, der Geflüchtete ausschließlich als »Problem«, ohne Grund als Kriminelle und zuerst mit gefälschten Ausweispapieren darstellt (Bundesinnenminister De Maiziere) ist inzwischen salonfähig. Es ist dieser medial und politisch in allen Lagern verbreitete Rassismus, der alle Muslime zu »potentiellen Terroristen« verunglimpft und der viele Biedermänner ermutigt, sich Pegida anzuschließen, Geflüchtete anzugreifen, die Unterkünfte anzuzünden. Um diesen Rassismus geht es im aktuellen Heft.

Phillip Knopp und Tino Heim zeigen, wie Pegida Redner*innen sich immer wieder auf Aussagen von Politiker*innen der CDU/CSU/SPD beziehen und dass es zwischen beiden Lagern eine Komplizenschaft und große Überschneidungen in den verwendeten Begriffen gibt. Sie analysieren den Erfolg des Rechtspopulismus als Folge von Verunsicherungen, die wiederum aus der neoliberalen (Globalisierungs-)Politik resultieren. Dabei sind es nicht unbedingt die Armen, die das stärkste Ressentiment pflegen, sondern ein relativ gut gebildeter Mittelstand, der sich vom Abstieg bedroht sieht.

Anne Seek analysiert die Ursachen ähnlich und präsentiert Ergebnisse von Meinungsumfragen, bei denen eines auffällt: Die Unterschichten kommen schlecht weg. Sie stellt die Frage, ob das an der Lebenssituation liegt oder daran, dass in Punkto Bildung und Reichtum Privilegierte einfach besser darin sind, sozial erwünschte Antworten zu geben.

Auch jenseits des Schwerpunktes haben wir zum Thema, dass Rassismus keine Abweichung von der eigentlich gerechten kapitalistisch-demokratischen Ordnung ist.

Arian Schiffer Nasserie zeigt, dass die rassistische Polizeigewalt nicht wirklich auf postkolonialem Rassismus basiert, sondern seine Ursprünge in der kapitalistischen Eigentumsordnung finden. Schwarze sind aufgrund der rassistischen Geschichte in der Armutsbevölkerung überrepräsentiert. Deshalb trifft sie die Polizeigewalt häufiger. Wenn also das kapitalistische System und dort insbesondere die aggressive neoliberale Politik Effekte hat, die Rechtspopulismus begünstigen, dann stellt sich die Frage, was tun? Wie kann die Linke die Verteilungsfrage neu stellen?

Heim und Knopp weisen darauf hin, dass nicht alle Zeichen auf Untergang stehen. Zunächst gelte es, die falschen Abgrenzungspolitiken zwischen der sogenannten politischen Mitte und dem rechten Rand zu entlarven und aufzuzeigen, dass Rassismus im neoliberalen System und in der Festung Europa gewollt ist. Und sie weisen auch darauf hin, dass es Einstellungsstudien nach ein großes Potential an demokratischen und liberalen Menschen in Deutschland gibt. Gerade in der Shell-Jugendstudie wurde dies deutlich.

Es geht also darum, die Mittel gesellschaftlicher Produktion, Distribution und Kommunikation zu nutzen, die gerade im Krisenlabor heranreifen. Es gilt, die Chancen für emanzipatorische Veränderungen zu nutzen.

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