Irgendein investigativer Mensch hat mir letztens erst gesagt:
»Du hast Glück, die Gender Studies an der HU sind doch voll divers und antirassistisch!«
Meine Antwort:
Nix da, ist alles reine Show. Die Humboldt-Universität an sich ist eine durch und durch (gewollt) rassistische Institution. Ein klassistischer und rassistischer Apparat, der Schwarzen, PoC und Rroma – eben jenen, die oft ihr ganzes Leben lang bereits von Mehrfachdiskriminierung betroffen sind – den Zugang zur Universität komplett verunmöglicht! Oder aber den Zugang durch alle diese »Zugangsvoraussetzungen« extrem erschwert.
Die Seminare in den Gender Studies, in der Amerikanistik und in den Erziehungswissenschaften sind so weiß dominiert, dass man sich stets unwohl, oft auch unsicher und begafft fühlt, wenn man selbst eine Person of Color oder Schwarz ist. Daher ist es nicht verwunderlich, dass man sich selbst in diesen Seminaren als wahrer »Exot« vorkommt, umgeben von lauter weißen Professoren und 98 % weißen Studierenden.
Prinzipiell aber ist die Aussage dieses Menschen de facto falsch, denn sie suggeriert eine gleichberechtigte Teilhabe am Studium von Schwarzen, Rroma, PoC und Weißen. Die Universität und hier besonders die HU Berlin fördert keine Inklusion, sondern sie praktiziert rassistische Separation. Allein die Möglichkeit, studieren zu können, ist ein weißes Privileg, dessen sich die meisten Studierenden nicht einmal bewusst sind.
Viele Weiße glauben sogar, besonders in den Genderstudies, sie seien selbst von Klassismus betroffen, doch auch hier muss klar unterschieden werden, zwischen weißen Menschen die aus einer Arbeiter_innenschicht kommen und Schwarzen, PoC und Rroma. Klassismus und Rassismus lassen sich nicht separieren und als »einzelne« Diskriminierungsformen betrachten oder bekämpfen.
Die HU Berlin hat ein massives, strukturell rassistisches Problem, das sie auf allen Ebenen in den jeweiligen Gremien als auch auf Veranstaltungen versucht zu leugnen.
Tatsächlich aber lässt sich der tief verwurzelte strukturelle Rassismus an den Studierendenzahlen erkennen, wenn in einer Ringvorlesung der Gender Studies max. 2 Schwarze, evtl. noch 3 PoC sitzen und das von 80 Personen insgesamt. Diese Zahlen sind schockierend und alarmierend zugleich. Genauso wie der Fakt, dass es bis heute keine schwarze Professur in den Gender Studies (am ZtG) gibt. Ein Fachbereich der sich geradezu brüstet mit seiner angeblich antirassistischen Haltung und vermeintlichen Intersektionalität. Wie intersektional, divers und antirassistisch sie aber wirklich sind lässt sich besonders gut daran erkennen, dass sowohl alle 10 Professuren und Juniorprofessuren mit einer Genderdenomination, als auch die Geschäftsleitung des ZtG ausschließlich weiß positioniert sind. Dadurch lassen sich auch die Aufstiegsmöglichkeiten Schwarzer und PoC innerhalb des universtitären Kontextes und besonders am ZtG erkennen. Sie gehen gegen Null.
Als Gast-Professor_innen dürfen »wir« in den Genderstudies sein, als Vertretung für weiße Professor*innen. Wir werden oftmals sogar als besonderes Aushängeschild benutzt, um die »antirassistische« und »diverse« Haltung dieses Fachbereichs aufzuzeigen.
Manch eine_r würde hier von Instrumentalisierung oder gar Tokenism sprechen – das ZtG selbstverständlich nicht.
Eine wirklich feste Stelle und damit verbunden auch eine gewisse Machtposition innerhalb der Humboldt-Universität besonders am ZtG wird mit allen Mitteln versucht zu verhindern und das bisher sehr erfolgreich. Die angewandten Methoden ähneln dabei frühkindlicher weißer Erziehung: Aufmüpfigkeit, Widerrede und das Infragestellen der Autoritäten werden umgehend sanktioniert. Früher wurde das abendliche Fernsehen gestrichen, heute ist das Ablegen von Prüfungen aufgrund angeblicher Befangenheit der Dozent*innen nicht mehr möglich. Diese bis heute massiv internalisierte Angst vor Sanktionen wird systematisch genutzt, um den Widerstandsgeist Studierender im Kampf gegen Rassismus zu brechen und die antrainierte Hörigkeit gegenüber Lehrpersonen und der ZtG-Leitung wieder herzustellen.
Innerhalb dieses rassistischen Systems übernimmt die ZtG-Leitung keinerlei Verantwortung. Schlimmer noch: Studentischer antirassistischer Aktivismus wird zum Schuldigen dafür gemacht, dass rechte Medien und Maskulinisten sich rassistisch, sexistisch, homo- und trans*feindlich über die Gender Studies äußern. Für den Erhalt oder die Zerstörung des ZtG werden somit die antirassistischen Initiativen verantwortlich und haftbar gemacht. Die ZtG-Verantwortlichen selbst halten sich derweil keinesfalls selbst verantwortlich für die ausschließlich weiße Besetzung innerhalb des ZtG. Sie nehmen sich selbst lediglich als machtlose und passive Opfer patriarchaler Strukturen wahr, die doch aber bereits »so viel« erstritten haben. Kritiker*innen dieser weißen Dominanzstrukturen werden zu Gegner*innen der Gender Studies und des Feminismus per se erklärt.
Insbesondere von Schwarzen und PoC-Studierenden in den Gender Studies wird seit über einem Jahrzehnt verlangt, zurückzustecken und ihre Rassismuserfahrungen zu schlucken und nicht zu protestieren. Sie sollen ihre Forderungen nach Repräsentation zugunsten des »großen Ganzen« (hier der weiß-feministische akademische Betrieb) aufgeben, opfern oder zumindest unterordnen.
Innerhalb dieses von Rassismus verseuchten Apparats als studierende Schwarze, PoC oder Rroma unbeschadet zu überleben ist schier unmöglich. Schwarze, PoC und Rroma sind innerhalb ihres Studiums gehäuft rassistischer Gewalt durch gelehrte Inhalte, weiße Professor_innen und/ oder ihre weißen Komiliton_innen ausgesetzt. Stets wird versucht, diese erlittenen Traumata von Schwarzen und PoC zu individualisieren, was falsch ist.
Der Rassismus an der HU Berlin ist KEIN individuelles Problem einzelner, sondern ein strukturelles und institutionelles und muss folglich auch als solches angesehen und sowohl mit Nachdruck als auch mit Ernsthaftigkeit bearbeitet werden. Dann könnte das ZtG auch von sich behaupten, tatsächliche Intersektionalität in Forschung und Lehre zu praktizieren, ohne sich der schamlosen, dreisten und faktischen Lüge schuldig zu machen!
Infos zum Text:
Das ZfG ist das Zentrum für transdiszilinäre Geschlächterstudien an der Humboldt-Universität, Berlin.