zurück zur Inhaltsangabe

#STAATUNDNAZISHANDINHAND

AUF DEM RECHTEN AUGE BLIND. UND LINKS SEHR SCHNELL GEREIZT.

ZAG

Wir erblicken in letzter Zeit überall »Autoritäre Persönlichkeiten«. Der alte Fromm hatte einen enormen Weitblick. Die autoritäre Persönlichkeit ist dadurch gekennzeichnet, dass sie ein geringes Selbstwertgefühl hat und sich deshalb kollektiven Symbolen oder besser noch Hierarchien unterwirft. Diese Hierarchien helfen dann, die unterdrückten Triebe destruktiv gegen Menschen zu richten, die irgendwie nicht in die Hierarchie passen, von woanders kommen (Ethnozentrismus) oder sogar freiheitliche, antiautoritäre Gedanken formulieren.

Übertreibung?

Keineswegs!

Eine eigentlich ganz niedliche Variante war eine Kündigung, die uns erreichte. Vielen Dank für das freundliche Feedback. Demnach sind wir der Person »zu links« (Danke für das Kompliment) und bringen zu viele Geschichten über »das Ausland«. Hier kommt die Ablehnung von freiheitlichen Gedanken zusammen mit der Ablehnung von Informationen über die große weite Welt jenseits des deutschen Sprachraums.

Die Berliner Polizei hat ganz tolle Ideen, wie schon kleine Kinder sich spielerisch in der Polizeihierarchie einfinden und andere Menschen unterwerfen können. Mit Kinderwasserwerfern, Gefangenenbus und Hausdurchsuchungs-Puppenstuben wird von klein auf gelernt, wie schön es ist, Befehlen zu gehorchen und Menschen zu schikanieren. Was noch fehlt ist, babyhautverträgliches Mini-Pfefferspray, Schlagstöckchen und ein Mini-Milgram Experiment mit dem Eisenbahntrafo. Als ich klein war, haben meine Eltern Spielzeugrevolver abgelehnt. Auch für die Großen gibt es die Spielzeugabteilung für autoritäre Persönlichkeiten: den niedlichen, spielerischen weltoffenen und toleranten Fußballnationalismus. Wie friedlich und weltoffen der war, das wurde mit dem Hashtag Mobwatch auf Twitter dokumentiert. Die Identifikation mit SchwarzRotGold verleitet offensichtlich zu rassistischen Sprüchen und Gewalttaten. Das ist mittlerweile sogar wissenschaftlich erwiesen (Institut für Konflikt- und Gewaltforschung).

Auf dem rechten Auge ist der Staat offenkundig blind. Das BKA führt eine Kartei »personengebundener Hinweise«, wo ohne richterlichen Beschluss oder Ähnliches und lediglich nach Gutdünken von Beamt_ innen Hinweise wie geisteskrank, drogenabhängig, Prostitution oder Ähnliches eingepflegt werden. Spannend ist das Zahlenverhältnis von
»Straftäter links« gegen »Straftäter rechts« mit 3490 zu 10. Seit dem NSU-Skandal, seit Fußballfans in deutschen Polizeibussen Nazi-Aufkleber finden, seit das Rassismusproblem der Polizei in Sachsen-Anhalt wissenschaftlich dokumentiert wurde und Polizist_innen in Köln und Aachen online und per SMS Rassismus verbreiten und Kolleginnen mobben, seit Polizisten in Zivil im betrunkenen Zustand Afrikaner in einem Berliner Park überfallen und meinen, die Polizeimarke würde ihnen das Recht dazu geben – seitdem wundert uns gar nichts mehr. Vermutlich liegt es daran, dass in der Polizei und in der rechten Szene die gleichen autoritären Charaktermerkmale gefragt sind: Gehorsam, Gewaltbereitschaft, Unterordnung und Identifikation mit Deutschland.

Dazu passt es auch ganz hübsch, dass Polizei und Verfassungsschutz kein Interesse daran haben, den NSU-Skandal aufzuklären, und dass den staatsdienenden Zeugen nicht die Erlaubnis gegeben wird, im Gericht auszusagen. In Baden-Württemberg hat nicht mal der Landtag ein Interesse an Aufklärung des Mordes an einer Polizistin und verzichtet daher auf einen Untersuchungsausschuss. Neun ermordete Migrant_innen, eine ermordete Polizistin und zahlreiche Verletzte gehen auf das Konto der Nazis. Aber wenn linke Gentrifizierungsgegner_innen Farbbeutel und Steine auf Luxus-Carlofts schmeißen, dann sehen der Berliner Innensenator, Lokalpolitiker_innen, der Polizeipräsident die öffentliche Ordnung in Gefahr. Dann wird gefordert, »Rechts- und Linksextremisten mit gleicher Vehemenz« zu bekämpfen.

Ja, nee, ist klar. Bedeutet das, dass die linke Szene Geld, Waffen und falsche Papiere vom Verfassungsschutz bekommt, dass V-Leute die Logisitik organisieren und anschließend die Akten geschreddert werden?

Damit sich Polizist_innen mit ihrem Rassismus nicht in der Öffentlichkeit blamieren, ist es folgerichtig, die rassistische Praxis der menschenunwürdigen Behandlung von Flüchtlingen zu einem privaten Gewinngeschäft zu machen. Der staatliche Rassismus führt dann dazu, dass auch der kleine Mann, der in eine Uniform gesteckt wird, sich unmenschlich und autoritär verhält. Die »Sammelunterkunft« genannten Flüchtlingslager sind im Grunde genommen Stanford Prison Experimente ohne wissenschaftliche und vor allem ohne zivilgesellschaftliche Kontrolle. Menschen, die der Staat möglichst rechtlos halten und abschieben möchte, werden von unterbezahlten gescheiterten Existenzen »beschützt«. Die bisher bekannt gewordene Gewalt gegen Flüchtlinge ist vermutlich nur die Spitze des Eisbergs. Der Vergleich mit Guantanamo ist unpassend. Angemessen wäre Abu Guraib. Der institutionelle und auch der ganz persönliche Rassismus werden zunehmen, wenn rechtspopulistische Parteien wie die AfD ihre menschenfeindliche Propaganda verbreiten können und womöglich sogar an CSU-Regierungen beteiligt werden. Horst Seehofer mag die gebildeten und klugen Professoren von der AfD ganz gern.

Und weil uns der Rechtsruck bei den EU-Wahlen erschreckt hat, haben wir den Schwerpunkt kurzerhand umdisponiert und wenden uns im neuen Schwerpunkt dem Phänomen des Rechtspopulismus zu. Der Klassenkampf ist aber nicht abgesagt. Wir geben den Widersprüchen kapitalistischer Verhältnisse nur mehr Zeit zur dialektischen Aufhebung und schauen mal, was die linke Zeitschriftenlandschaft nach der Prokla und den feministischen an.schlägen so zum Thema zu schreiben haben. Das Thema bleibt aber vermutlich aktuell bis Anfang nächsten Jahres. Sollte jedoch der Kapitalismus zwischenzeitlich abgeschafft werden, dann würden wir das fast fertige Heft als Rückschau umbauen.

Eure ZAG

zurück zur Inhaltsangabe

Archiv