zurück zur Inhaltsangabe

Der revolutionäre Europamarsch nach Brüssel

Unsere Forderungen

Turgay Ulu

Wir haben auf lokaler Ebene Widerstand geleistet gegen die Gesetze und Praktiken, die Geflüchtete in die Isolation sperren, und wir haben den Widerstand auf ganz Deutschland ausgeweitet. Jetzt bereiten wir uns darauf vor, unseren Widerstand auf ganz Europa auszuweiten. Als wir mit unserem Protestmarsch von Würzburg gestartet sind, haben wir darüber diskutiert, dass die Probleme aller Geflüchteten in Europa ähnlich sind und wir unseren Widerstand deshalb bis ins Zentrum Europas ausweiten müssen. Schon bei diesem Gespräch kam die Idee auf, einen Protestmarsch nach Brüssel zu organisieren. Nun wird dieser Plan in die Praxis umgesetzt.

Wir haben den dazu nötigen Kontakt mit anderen Geflüchtetenprotesten und antikapitalistischen, antifaschistischen Kräften in Europa aufgenommen. Wir starten kurz vor den Europawahlen in Straßburg, um gemeinsam nach Brüssel zu laufen.

Wir brechen mit dem revolutionären Europamarsch die Grenzen und Verbote Europas. Dafür haben wir auch die nötigen Einladungen verschickt, um alle antikapitalistischen und antifaschistischen Kräfte dabei zu haben. Sie waren auch an den Vorbereitungen beteiligt. Meines Erachtens birgt ein Widerstandskampf, der sich auf das Geflüchtetenthema beschränkt, das Risiko der Stagnation, denn der Ursprung des Problems ist das kapitalistische Weltsystem. Rechte und Freiheiten sind nur dann erreichbar, wenn man einen effektiven Widerstandskampf gegen das System leistet.

Forderungen

In Europa hauchen die Institutionen und Gesetze des Systems den Verboten und Grenzen Leben ein. Wir wollen, dass diese Gesetze und Institutionen abgeschafft werden! Die Gesetze und Institutionen, die aus Rassismus und Kolonialismus entspringen, sollen abgeschafft werden! Wir verlangen die sofortige Einstellung aller Isolationsmaßnahmen!

Frontex abschaffen! Frontex ist eine Institution, die wie eine Armee arbeitet und behauptet, lediglich die Grenzen der EU zu beschützen. Frontex besitzt sowohl Schiffe als auch Waffen und jagt damit die Geflüchteten auf internationalen Gewässern.

Dublin abschaffen! Wir fordern, dass das Dublin II/III Abkommen rückgängig gemacht wird, welches bestimmt, dass Geflüchtete in das EU Land zurückgeschickt werden, in dem sie ihre Fingerabdrücke zuerst abgeben mussten.

Abschiebung stoppen! Geflüchtete, die vor Krieg und Diktaturen fliehen, um in Europa Frieden zu finden, werden massenhaft abgeschoben. Wir fordern den Stopp aller Abschiebungen von Geflüchteten in Länder, in denen sie sich dann in Lebensgefahr befinden.

Residenzpflicht abschaffen! Die Residenzpflicht ist ein Gesetz, das nur in Deutschland existiert. Sie verbietet Geflüchteten ihren Landkreis bzw. Bundesland zu verlassen. Die Residenzpflicht muss abgeschafft werden! Dieses Gesetz raubt Menschen ihr natürlichstes Recht – das Recht auf Bewegungs- und Reisefreiheit.

Rassismus bekämpfen! Wir wollen den Rassismus stoppen, der in Krisenzeiten des Kapitalismus auch in Europa immer heftiger wird! Wir wollen, dass die rassistischen Maßnahmen den Geflüchteten, Migrant_innen und anderen Unterdrückten gegenüber aufhören! Diese rassistischen Maßnahmen treffen alle, die nicht als Teil der Mehrheitsgesellschaft gesehen werden und aus Parks, Büchereien und Diskotheken ausgeschlossen werden. Dies soll ein Ende haben, ebenso wie rassistische Polizeikontrollen!

Kapitalismus bekämpfen! Um die Krise des kapitalistischen Weltsystems zu überwinden, wollen wir das Ausbeutungssystem gegen Arbeiter_innen, Arbeitslose und alle Unterdrückten ändern.

Kriege beenden! Wir wollen den Stopp aller Kriege und Massaker, die aus purer Gier nach Öl, Profit und Waffen geführt werden! Von diesen ungerechten und reaktionären Kriegen hat die Arbeiter_innenklasse nichts. In den verschiedensten Regionen der Erde sterben hunderte von Menschen aufgrund von Kriegen und Konflikten. Die Überlebenden erwartet in Europa ein sklavenähnliches Dasein.

Keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts! Menschen werden wegen ihrer Klasse, ihres Geschlechts und ihrer sexuellen Orientierung erniedrigt. Wir wollen, dass all diese Unterdrückungsmaßnahmen ein Ende haben!

Lager schließen! Wir fordern die Schließung aller Geflüchtetenlager! Lager befinden sich an den Stadträndern. Sie grenzen die Menschen von der Gesellschaft aus und sperren sie in ein Leben voller Isolation.

Aufhebung des Arbeitsverbots! Wir wollen, dass das Arbeitsverbot endet, denn es entreißt Geflüchteten ihre Existenzgrundlage und zwängt die Menschen in ein elendes Leben. Wir wollen, dass Geflüchtete und Migrant_innen auch ein gleichwertiges Recht auf Arbeit bekommen, wie der Rest der Gesellschaft. Wir wollen, dass diejenigen Gesetze abgeschafft werden, die uns stundenlang für einen Hungerlohn schuften lassen! Wir wollen nicht wie Sklav_innen arbeiten müssen, um die Kassen der Bourgeoisie zu füllen.

Recht auf Wohnen! In Europa leben die Menschen hinter dem Vorhang der Demokratie ohne Unterkunft und werden gezwungen auf der Straße zu leben. In allen Städten gibt es leere Häuser und trotzdem leben Menschen ohne Dach über dem Kopf.

Recht auf Bildung! Jeder Mensch sollte ein gleiches Recht auf Bildung und Erfüllung der kulturellen Bedürfnisse haben.

Repression stoppen! Wir sind dagegen, dass Widerstandskämpfer_innen gegen den Kapitalismus zu Terrorist_innen erklärt, zu schweren Strafen veruteilt und in Gefängnisse gesteckt werden. Wir sagen: Die eigentlichen Terrorist_innen sind alle kapitalistischen Staaten. Alle Waffen und Angriffsmittel befinden sich in den Händen der kapitalistischen Staaten. Wir wollen, dass alle Anti-Terror-Gesetze und -Maßnahmen außer Kraft gesetzt werden!

Wir wissen, dass uns all diese Rechte und Freiheiten nicht einfach so von den Herrschenden geschenkt werden. Deshalb vereinen wir uns auf den Straßen für ein kollektives Leben gegen die kapitalistische Klassengesellschaft.

Es lebe die Menschlichkeit und unser kollektiver Widerstand!

Über den Autor:

Turgay Ulu war 15 Jahre in Isolationshaft in der Türkei, weil er als marxistisch orientierter Student einen Gefängnisausbruch vorbereitet haben soll. Im Anschluss gelang ihm die Flucht nach Deutschland. Er war beim Protestmarsch von Würzburg nach Berlin dabei und seit Beginn des Camps auf dem Oranienplatz und in der besetzten Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin-Kreuzberg. Unmittelbar nach der Räumung des Camps am Oranienplatz trat er mit 4 weiteren Geflüchteten in Hungerstreik.


zurück zur Inhaltsangabe

Archiv