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Grenzthemen

ZAG

Auf den ersten Blick erscheint das Thema Grenze aus antirassistischer Perspektive sehr klar und einfach. Grenzen sind Mist und sollen weg. Deshalb heißt eine großartige Kampagne auch »noborder«.
Selbst die EU hat dieses Motto für sich entdeckt. Waren, Kapital und Arbeitskräfte sollten ungehindert zwischen den Mitgliedsstaaten ausgetauscht werden können. Der grenzenlose Markt wird es schon zum Wohle aller richten. Das besagt jedenfalls der ökonomische Glauben seit dem Moralphilosophen Adam Smith. Im Prinzip würde das wohl auch die CSU unterschreiben. Aber der eiserne Vorhang scheint in Bayern noch nicht abgebaut worden zu sein. Jedenfalls bezeichnete die Bavariapartei die Arbeitskräfte aus Rumänien und Bulgarien pauschal und grenzenlos als Sozialleistungsbetrüger*innen. Es war ihnen offensichtlich ein Bedürfnis eine Grenze zu ziehen zwischen guter Arbeitskräftemobilität und böser »Armutsmigration«. Derselbe Reflex zur Grenzziehung hat wohl auch zu der jahrelangen Blockade gegen den Doppelpass geführt. Menschen, die zwei Staatsbürgerschaften haben – das geht ja gar nicht!
Neben den Staatsgrenzen gibt es aber noch andere politische Grenzen, die uns im letzten halben Jahr beschäftigt haben. Vor allem natürlich die Grenze zwischen Rassismus und nicht Rassismus. Eine einfache Antwort haben uns Reclaim Society gegeben, denen zufolge alle Weißen immer rassistisch sind und alle People of Colour nicht rassistisch. Daraus ergibt sich allerdings eine neue Grenzfrage, ob sich zum Beispiel die ZAG in nichts unterscheidet von Sarrazin? Sarrazin ist nun ganz sicher rassistisch. Nach jeder Definition außer seiner eigenen. Und alle, die das so sehen, sind seiner Ansicht nach Tugendterrorist*innen. Er sieht seine Meinungsfreiheit dadurch gefährdet, dass er kritisiert wird. Dabei ist Meinungsfreiheit immer auch die Meinungsfreiheit derer, die ihn kritisieren. Aber das geht wohl über seine intellektuellen Grenzen hinaus.

Eine andere Grenzüberschreitung hat der Tagesspiegel-Redakteur Sebastian Leber gewagt. Mit seinem Beitrag »Danke, liebe Antifa« hat er in dem bürgerlichen Blatt die Leistungen der Antifa für eine Nazi-freie Berliner Innenstadt gewürdigt. Und wurde dafür in den Online-Kommentaren beschimpft und mit dem Tode bedroht. Nazis eben. Sarrazin fragte die Öffentlichkeit, ob Leber von allen guten Geistern verlassen worden sei. Für diese Grenzüberschreitung wollen wir uns erkenntlich zeigen. Danke, lieber Sebastian Leber.

Aber manchmal ist es auch wichtig, Grenzen aufzuzeigen. Die Partei der Verfassungsschutzfunktionäre (NPD) hat aufgerufen, am 26.4.2014 durch Kreuzberg und am 1.5.2014 durch Neukölln zu laufen. Und die liebe Antifa hat hier im Rahmen eines breiten Bündnisses über die Gewerkschaften bis in die Tagesspiegelleser*innenschaft hinein sehr klar Grenzen gesetzt: No pasaran. Die Nazis sind nicht durchgekommen und haben gleich die Lust verloren, das Ganze in Neukölln zu versuchen. Daher auch von uns an dieser Stelle: »Danke, liebe Antifa«!

Zu sehen, wie die NPD-Demo von der Polizei verteidigt wurde, hat uns daran erinnert, dass die Grenze zwischen Staat und NPD nicht deutlich ist. In Rostock-Lichtenhagen hat die Polizei durch Abwesenheit geglänzt und dadurch fahrlässig Menschenleben gefährdet. Es scheint sich um Versagen gehandelt zu haben. Erst als linke Demonstrant*innen auftauchten, war auch die Polizei zur Stelle. Der NSU-Prozess lässt auch wieder Zweifel aufkommen. Geschredderte Akten, V-Leute und Verfassungsschutzmitarbeitende, die zufällig in der Nähe von Tatorten waren. Ganz zu schweigen von den ganzen »Ermittlungspannen« im Fall Oury Jalloh. Da fragt man sich schon, wo ist die Grenze zwischen unterlassener Hilfeleistung und Mord, zwischen unterlassener Ermittlung und Beihilfe zum Terrorismus.

All dies sind Gründe, warum es weiter eine kritische Öffentlichkeit braucht, die gelegentlich zu militanten Mitteln greift: Die Grenze zwischen der Polizei und den politischen Rassist*innen ist unklar. Wir können nicht darauf vertrauen, dass die Polizei ihren Job macht. Und im Angesicht der vielen Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte müssen noch viele Grenzen plattgemacht werden: Zum Beispiel diejenige zwischen Antira und Antifa und die zwischen der radikalen Linken und der linksliberalen politischen Mitte.

Eure ZAG

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