Die Bertelsmann Stiftung ist hinlänglich bekannt für ihre neoliberale Grundhaltung. Dazu gehört das Vertrauen in das Funktionieren der Märkte. Im Prinzip. Aber da werden immer wieder lukrative Ausnahmen gemacht. Jetzt hat die Bertelsmann Stiftung festgestellt, dass sich die Zuwanderung endlich zum Besseren gewandelt hat.1) Damals, als die Zuwanderung ein Problem war, da war sie durch politische Ereignisse ausgelöst und die Zuwandernden lagen dem Sozialstaat auf der Tasche. Von Humanität und der Würde des Menschen wird an der Stelle geschwiegen. Aber seit Schengen, Frontex, Dublin und so weiter ist die Zuwanderung endlich gut geworden. Der Anteil hochqualifizierter Menschen steigt und deshalb, so die Stiftung, profitiere der Sozialstaat von Zuwanderung. Aber noch nicht genug. Um das zu optimieren fordert die Stiftung eine staatlich geförderte »Anerkennens- und Willkommenskultur«. Die vermutlich drängenden Umstände, die hochqualifizierte Menschen dazu bringen, ihre Heimat zu verlassen, sind in dieser Lesart kein Systemversagen, sondern das Funktionieren der Märkte. Zumindest für die reichen Zielländer, die die Zuwanderung steuern können.
Wenn wir diese zynische Nutzenorientierung weiter denken, dann drängen sich die folgenden Maßnahmen förmlich auf: Lager und Lebensmittelmarken für Hartz-IV Empfänger_innen und nach zwei Jahren Hartz IV erfolgt die Aberkennung der Staatsbürgerschaft und die Ausweisung. Schön wäre es auch, wenn JedeR unqualifizierte Bio-Deutsche eineN hochqualifizierteN migrantischen Mentor_in bekäme.
Was die Bertelsmann Stiftung nicht erwähnt, das ist der Umstand, dass all die unqualifizierten Menschen, die vor Hunger und Gewalt, vor politischen Großereignissen flüchten, heute an den staatlich organisierten Grenzen sterben und in elenden Verhältnissen festgehalten werden, wie der Anti-Frontex Fotobewerb der Zeitschrift »Prager Frühling« zeigt.
Aber auch das ist kein globales Systemversagen. Das System versagt nie.
Interessanter Weise wird auch dann nicht von Systemversagen gesprochen, wenn Staatsorgane ganz offensichtlich nicht ihren gesetzlichen Auftrag erfüllen. So wurde es jedenfalls von der Innenminister_innenkonferenz dargestellt. Der Verfassungsschutz lässt braune Terrorist_innen durch V-Leute beobachten, vermutlich mit Geld, gefälschten Papieren und Waffen versorgen, anschließend werden von mehreren Verfassungsschutzämtern Akten geschreddert, die zur Aufklärung hätten beitragen können. Und dennoch sieht die »Bund-Länder-Kommission zum Rechtsterrorismus« in ihrem Abschlussbericht zur NSU-Mordserie »kein generelles Systemversagen der deutschen Sicherheitsarchitektur«. Eine Abschaffung der Verfassungsschutzämter wird abgelehnt. Stattdessen soll das Bundesamt für Verfassungsschutz gestärkt werden. Die Lösung lautet also mehr desselben.
Das System hat in seinen Parametern funktioniert und die Ermordung von neun Menschen mit Migrationshintergrund und einer Polizistin gehört halt irgendwie dazu.
Am 13.7.2013 wollte die NPD an fünf Orten in Berlin gegen Flüchtlingslager demonstrieren. Mal eine erfreuliche Nachricht: Den Auftakt in Kreuzberg verhinderten die Gegendemonstrant_innen ganz und an den anderen Veranstaltungsorten zählte die Polizei nur 15 rechte Teilnehmende. Es wurde nicht gemeldet wie viele von den 15 Teilnehmenden Mitarbeiter_innen des Verfassungsschutzes waren. Auch hier hat das System funktioniert.
Die ZAG hingegen wünscht sich das Systemversagen der rassistischen Verhältnisse. Damit wir das hinbekommen, wünschen wir uns neue Mitstreiter_innen. Insbesondere möchten wir im Interesse einer besseren Diskussionskultur unsere Netzwerke erweitern und laden deshalb aktive Antirassist_innen aus den verschiedensten Gruppen ein, die ZAG mitzudiskutieren und mitzugestalten.
Eure ZAG
FUßNOTEN:
1) http://www.bertelsmann-stiftung.de/cps/rde/xchg/SID-F60FADAE-ADC98388/bst/hs.xsl/nachrichten_116488.htm