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Kampagne zur Unterstützung von Opfern rassitsischer Polizeigewalt gestartet

ReachOut berät und unterstützt seit dem Juli 2001 Opfer rechter und rassistischer Gewalt in Berlin. Immer häufiger wenden sich auch Opfer rassistisch motivierter Polizeigewalt an die Beratungsstelle. Handelt es sich bei den Tätern um PolizistInnen, treffen die Opfer und deren UnterstützerInnen nicht selten auf eine Mauer des Schweigens und des Misstrauens. Nach dem Motto: Was war denn der Anlass für die Misshandlung, irgendetwas muss schließlich vorgefallen sein, dass sich die PolizistInnen so provoziert fühlten. Dementsprechend schwierig gestalten sich die Bemühungen, Lobbyarbeit für die Betroffenen zu leisten.

"Die ausländische Bevölkerung, die schon traditionell besonderer 'krimineller Energien' verdächtig ist, gerät in weitaus stärkerem Maße als sogenannte NormalbürgerInnen ins Visier der Polizeibehörden und wird so fast zwangsläufig häufiger Opfer von deren Übergriffen." 1

Zu Misshandlungen kommt es häufig dann, wenn die Beschuldigten fragen, was ihnen vorgeworfen wird. Nur selten werden sie wegen des Anfangverdachtes angezeigt. Meistens wird wegen 'Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte' und 'Beleidigung' oder wegen 'Körperverletzung' gegen die Betroffenen ermittelt. Vorwürfe, die sich nur schwer widerlegen lassen und die nur deshalb erhoben werden, um den gewalttätigen Einsatz zu rechtfertigen und für den Fall einer Anzeige gegen die beteiligten PolizeibeamtInnen gewappnet zu sein. "Gezielte Kontrollen ausländisch aussehender Menschen sind für die Polizei verlockend, weil sie ihre Erfolgsstatistik ohne Aufwand und zeitraubende Ermittlungen aufpolieren kann. Die Praxis ist zwar legal, sie bleibt aber diskriminierend. Mit der Zunahme solcher Eingriffe wird auch die Wahrscheinlichkeit von Gewalt und Übergriffen im engeren Sinne größer." 2

Während in Großbritannien mittlerweile akzeptiert wird, dass die schwarze Bevölkerung am häufigsten von polizeilichen Übergriffen betroffen ist, wird die Tatsache des 'racial profiling' in der Bundesrepublik hartnäckig geleugnet. Man spricht hierzulande von 'verdachtunabhängigen Kontrollen'. Aufgrund der Beratungspraxis von ReachOut und den Erfahrungen von AnwältInnen und BürgerrechtlerInnen ist davon auszugehen, dass gerade schwarze Menschen keineswegs verdachtunabhängig kontrolliert werden, sondern vielmehr unter Generalverdacht stehen. Der Nachweis jedoch, dass schon der Anlass für eine Polizeikontrolle einen rassistischen Hintergrund hat, ist in der Bundesrepublik schwer zu erbringen. Empirische Studien über das Ausmaß rassistischen Ver haltens und damit einhergehender Gewaltanwendung innerhalb der Polizei existieren in der Bundesrepublik nicht. Für die politisch Verantwortlichen heißt das: Keine Beweise - kein Handlungsbedarf. 3

Von Seiten der beteiligten BeamtInnen und deren Vorgesetzten werden die Vorwürfe hartnäckig geleugnet. Da es nur selten ZeugInnen für die Misshandlungen gibt, stehen die Aussagen mehrerer BeamtInnen der Aussage eines Migranten /einer Migrantin gegenüber. Deren Glaubwürdigkeit ist deshalb per se in Frage gestellt. Spätestens wenn MigrantInnen einen Angriff anzeigen, besteht immer die Gefahr einer Gegenanzeige. "Während Deutsche bei einer solchen (Gegen)Anzeige 'nur' eine Verurteilung (z.B. wegen Verleumdung, Anm.d.V.) riskieren, laufen ausländische Personen zudem Gefahr, ausgewiesen oder abgeschoben zu werden." 4 Das stellt die Betroffenen vor eine schwere Entscheidung. Aber selbst wenn sie Anzeige gegen die agierenden Beamten erstatten, müssen sie damit rechnen, dass die Ermittlungen gegen Polizeibeamte langwierig sind, bewusst verschleppt oder sogar eingestellt werden.

Den Betroffenen fehlt häufig das Geld, sich auf juristischem Weg gegen den Angriff zu wehren. Gezielte finanzielle Unterstützungsmöglichkeiten existierten bisher für Opfer rassistischer Polizeigewalt nicht. Daher haben Netzwerk Selbsthilfe e.V. und ReachOut einen Rechtshilfefond gegründet. Mit dem Geld sollen die Opfer rassistischer Polizeigewalt konkret darin unterstützt werden, ihre Anwalts/AnwältInnenkosten und Prozesskosten aufbringen zu können.

Helga Seyb, ReachOut

Spenden an:
Netzwerk Selbsthilfe e.V.
Bank für Sozialwirtschaft
BLZ: 100 205 00
KontoNr.: 30 298 04
Kontakt und Infos:
ReachOut, Tel.: 030/ 69568339
email: info@reachoutberlin.de
http://www.reachoutberlin.de

1 Anja Lederer/Heiner Busch: Polizeiübergriffe auf AusländerInnen - Kaum Chancen vor Gericht, in: CILIP 67; 3/2000, S. 28

2 CILIP Nr. 67, S. 29

3 vgl.: Jürgen Korell/Urban Liebel: Polizeiskandal - Skandalpolizei, Demokratiemangel bei der Polizei, Münster 2000. Neben seiner Tätigkeit als Buchautor, arbeitet Jürgen Korell als Polizist.

4 CILIP Nr. 67, S. 32 4

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