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Das Elend der Abschiebehaft

Tausenden sind Grundrechte entzogen worden

In den letzten sieben Jahren sind viermal soviel Flüchtlinge in Deutschland durch staatliche Gewalt umgekommen als durch rassistische Übergriffe. Die Bilanz der kürzlich veröffentlichten Dokumentation der Antirassistischen Initiative zeigt das Ausmaß des Elends. Wer ohne Visum eingereist ist, wer ohne Erlaubnis der Behörden gearbeitet hat, auch derjenige, dessen Asylantrag endgültig abgelehnt wurde, kann durch Beschluß eines einzelnen Amtsrichters für Tage oder Wochen - bis zu eineinhalb Jahre- in ein eigens für die Sicherung der Abschiebung eingerichtetes Gefängnis eingeliefert werden.

In Berlin betraf das im vergangenen Jahr mehr als 6000 Männer, Frauen und Jugendliche, die so für eine unbestimmte Zeit hinter Gittern kommen, ohne eine Straftat begangen zu haben. Bei allen ist das Bewußtsein präsent, das ihnen Unrecht geschieht. Der Gefängnisalltag ist hart: 23 Stunden in einem Zellentrakt eingeschlossen, eine Stunde Hofgang, mangelnde medizinische Betreuung, eintöniges Essen, ohne jede Berücksichtigung der nationalen Gewohnheiten. Es kommt immer häufiger zu Konflikten zwischen den Häftlingen und den im besten Fall gleichgültigen Polizisten. Die stärkste Belastung ist für viele die Furcht, in ein Land abgeschoben zu werden, in dem Menschenrechte nichts gelten. Vor einigen Jahren waren Hungerstreiks noch eine Ausnahme, die alle paar Monate einzelne Häftlinge betraf. Jetzt ist Hungerstreik eine ständige Begleitung im Berliner Abschiebeknast. Im Haus 2 wurde in der Grünauerstrasse eine Isolierstation eigens für Hungerstreikende errichtet. Nach offiziellen Angaben der Innenverwaltung des Berliner Senats gab es im ersten Halbjahr 2000 228 Hungerstreiks mit durchschnittlich 14 Tagen Dauer. Das bedeutet, daß etwa jeder 12. Häftling im Berliner Abschiebeknast in den Hungerstreik tritt, um seine Freilassung zu erwirken. Besonders häufig nehmen Häftlinge aus Diktaturen oder aus Bürgerkriegsländern an diesen, für ihre Gesundheit und ihr Leben gefährlichen Protestaktionen teil.

Demütigungen, ihre Würde verletzende Behandlung müssen alle Insassen hinnehmen. Oft sind völlig überzogene Sicherheitsmaßnahmen der Anlaß. Ein aus Mosambik stammender ehemaliger Vertragsarbeiter, ein freundlicher, gut deutsch sprechender Mann, Serafim Manhice, mußte kürzlich zum Zahnarzt gefahren werden. Beide Hände waren ihm mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt worden. So sollte er sich auch auf den Behandlungsstuhl legen. Er konnte dem Arzt nicht einmal zeigen, welcher Zahn entzündet war. Als seine Bitte, ihm doch für einen Augenblick die Fesseln abzunehmen, abgelehnt wurde, weigerte er sich, unter diesen Umständen behandelt zu werden. Wenn man das vergleicht mit den Bedingungen, unter denen der Gewaltverbrecher Zurvehme in Brandenburg zu einem Freigang geführt wurde, ungefesselt und zeitweise nur von einem Sozialbetreuer begleitet, der dann entkommen und erneut morden konnte, entdeckt man: es gibt Spuren von Apartheid in der Ausländerpolitik der Bundesrepublik Deutschland. Die Abschiebehaft muß ersatzlos abgeschafft werden, damit die unerträgliche Diskriminierung von Tausenden Ausländern ein Ende hat.

Gerhard Leo
Mitglied der Initiative gegen Abschiebehaft, Berlin

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