Da haben sie mal wieder eine gutaussehende Ausländerin gefunden, die sich aufgrund ihres beschissenen Jobs bereit erklärt, rassistische Thesen rauszuhauen. Na toll.
Da werden sich viele in etwa denken, was eine intelligente und reflektierte Journalistin auf Facebook gepostet hat: Eine Frau und griechischer Abstammung. Fremdenhass kann man ihr wohl kaum vorwerfen. Aber das Argument gälte dann wohl auch für Akif »Adolf« Pirinçci...
Nein, sie ist sicher keine Nazi-Braut. Aber sie lässt sich von der Welt einspannen. Irgendwie haben die deutschen Medien und die Politik in diesem Sommer von einem Tag auf den anderen ihr Mitleid für Flüchtlinge entdeckt. Die Welt und eine Woche darauf Die Zeit haben als Erste – zunächst nur in Kommentaren – die Solidarität zurückgedreht mit Unkenrufen: »Oh weh! Seht her! Die Muslime kommen und werden unser Grundgesetz nicht akzeptieren!«. Und natürlich werden da einige dabei sein, die genau das machen. Was uns daran ärgert, ist, dass die deutsche Unterschicht gewaltbereit ist, dass es eine Menge gewaltbereiter Nazis gibt, dass im ganzen Land katholische FundamentalistInnen gegen die Würde des Menschen demonstrieren und Söder das Grundrecht auf Asyl abschaffen möchte. Aber da kommt kein großer Verlag auf die Idee, von »Parallelstrukturen«, »Homosexuellenfeindlichkeit«, »Grundwerten der Verfassung« zu schwadronieren. Wir mögen das Grundgesetz auch und würden uns eine konsequentere Auslegung wünschen. Speziell für Art 1: »Die Würde des Menschen ist unantastbar«, und Artikel 14, Absatz 2: »Eigentum verpflichtet«. Was uns ärgert, ist, dass hier offensichtlich mit zweierlei Maß gemessen wird und dass die Gewalt und die Intoleranz von Deutschen halt irgendwie hinnehmbar sind, während als Muslime identifizierte Straftäter*innen irgendwie als kulturell minderbemittelt und erziehungsbedürftig dargestellt werden. Zugleich wird völlig übersehen, dass viele Millionen Muslime in Deutschland völlig integriert sind. Die werden als Deutsche wahrgenommen. DAS wird dann nicht auf deren Religion zurückgeführt. Und solange der Sozialstaat weiter zurückgedreht wird, solange Arbeitsverhältnisse immer prekärer und schlechter bezahlt werden, solange wird die Gewalt zunehmen. Das lässt sich in den USA sehr schön beobachten. Damit der Zusammenhang zwischen neoliberaler Politik, Gewalt und Zerfall der Zivilgesellschaft nicht so offensichtlich wird, ist es sehr hilfreich, das Phänomen mit rassistischen und antimuslimischen Erklärungsmustern zu deuten.
Durch die Migrationspolitik der 1960er und 1970er Jahre sind Muslime in der Unterschicht stark überrepräsentiert. Der Umstand trägt dazu bei, dass diese Erklärungsmuster plausibel erscheinen. Statistisch löst sich dieser Zusammenhang schnell auf.
Nicht die Flüchtlinge oder die große Zahl der Flüchtlinge sind das Problem. Es sind die PolitikerInnen, die jahrelang versucht haben, mit Zäunen und Gewalt Flüchtlinge davon abzuhalten, in Europa die Genfer Konvention zu beanspruchen.
Es sind die Politiker, die Flüchtlinge seit Jahren absichtlich in menschenunwürdigen Unterkünften einpferchen, um sie von der Flucht nach Deutschland abzuschrecken.
Dieselben PolitikerInnen, die seit Jahren die Prognosen von PRO ASYL und anderen Organisationen ignorieren und behaupten, dass die Flüchtlingszahlen weiter zurückgehen werden.
Es sind die PolitikerInnen, die Gaddafi weggebombt haben und Assad, weil sie Zugriff auf deren jeweilige Länder haben wollten. Bei Gaddafi war es das Öl, bei Assad ging es darum, Russlands letzten Hafen am Mittelmeer zu schließen.
Es sind die PolitikerInnen, die sich das Dublin-Abkommen ausgedacht haben, damit die – zumeist ärmeren – Grenzländer der EU die größten Flüchtlingszahlen aufnehmen mussten.
Es sind die PolitikerInnen, die umfangreiche Waffenlieferungen und Giftgas in Krisenregionen genehmigt haben – und dafür wurde gelegentlich mal ein Koffer voller Geld im Büro vergessen.
Diese PolitikerInnen stopfen sich noch das Bestechungsgeld in ihre ausgebeulten luxemburgischen und schweizerischen Konten, während sie mit Sorgenfalten auf die »Flüchtlingswelle« schauen und Obergrenzen fordern.
Wie viele Flüchtlinge kann Deutschland verkraften?
Vielleicht für jedes gelieferte Waffensystem so viele, wie es Menschen in die Flucht drängt?
Sie weisen auf die von ihnen unterfinanzierten Unterkünfte hin und sind besorgt, dass dort menschenunwürdige Zustände herrschen. Sie sind erschrocken, dass die Menschen unter dem Stress
gewalttätig werden. Die PolitikerInnen machen diese Ausschreitungen den Menschen zum Vorwurf, die durch Krieg, Folter und Flucht total gestresst sind und hier auf engstem Raum und ohne Privatsphäre in Turnhallen zusammengepfercht werden.
Währenddessen sind viele Deutsche schon im Straßenverkehr, allein im Auto sitzend, so gestresst, dass sie zu Gewalttätigkeiten neigen. Aber da liegt es dann nicht an mangelnder Zivilisiertheit oder an
der »anderen Kultur«.
Währenddessen stehen in deutschen Städten Wohn- und Bürogebäude leer, weil Immobilienspekulanten es so wollen. Für steuerliche Abschreibungen und um auf bessere Preise zu warten...
Eure ZAG
PS: Die ZAG wird gefördert durch Netzwerk Selbsthilfe, den politischen Förderfonds. Netzwerk fördert und berät emanzipatorische Projekte in Berlin und Brandenburg. www.netzwerk-selbsthilfe.de