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Lob und Notwendigkeit der Asymmetrie

Zur nationalen Funktion der Islam-Debatten in Deutschland

Koray Yιlmaz-Günay

Ob es ein Gesicht ist, das uns in der U-Bahn gegenüber sitzt, oder unser eigenes im Spiegelbild: Wir sind oft geneigt, ein Ebenmaß zu suchen, das uns die Orientierung, die Einordnung, die Kategorisierung erleichtert. Räume, Plätze, unsere Paar-Beziehungen, die Anordnung der Möbel – alles scheint geprägt vom Wunsch, der vielleicht schon unsere ersten Zeichnungen noch vor der Schulzeit geleitet hat: dem Bestreben, es möge irgendwie zueinander passen, was auf den beiden Seiten einer fiktiven Achse liegt. Alles soll symmetrisch sein, alles soll sich so fügen, dass es sich zur Not zweidimensional in einem Schaubild darstellen lässt. Alles andere ist uns irgendwann nicht mehr erträglich. Je weniger sichtbar die Verwerfungen des Alltags und der Realität sind, desto bequemer lässt es sich leben. Im Schema: Je eng der Horizont, desto Schublade die Wahrnehmung der Welt. Alle Debatten, die hiesig um »den Islam« geführt werden, sind geprägt von dieser im Kern langweiligen Wahrnehmung der Welt und ihrer Zusammenhänge. Es sind vielleicht gelangweilte Menschen, die sich zu lang den Kopf zerbrochen haben über die »Dritte Welt«, den Feminismus oder die Rechte von Schwulen und Lesben – und die einfach Lust drauf haben, keine Lust mehr zu haben. So ein Krieg strapaziert die Geduld, die Nerven – und irgendwann auch die Kapazitäten der Wahrnehmung. Ist die Frau mit Kopftuch freier oder unfreier als die ohne? Ist der islamistische Terror die neue Sowjetunion und wir leben in einer Blockkonfrontation, in der Grün ist, was Rot vorher war? Sind Muslime schwulenfeindlicher als wir? Sollen in der Schweiz Minarette gebaut werden dürfen? Gehört die Türkei in die EU? Geht das Abendland unter, wenn in Berlin muslimische Eltern vor Gericht verlangen, dass ihr Sohn in der staatlichen Schule beten können muss? Was werfen die Muslime in die andere Waagschale für die Integrationshände, die wir ihnen entgegengestreckt haben? All diese Fragen und die noch zahlreicheren, die sie stellen und beantworten, profitieren von unserer Schwäche für die Anordnung von Gegebenheiten und Argumenten nach simplen Regeln. Auf die Argumente, die ins Feld geführt werden, ließe sich in jedem Fall eine Entgegnung finden, die reales Gegengewicht erzeugen kann – wenn es sich tatsächlich um Waagschalen handelte, mit denen wir es hier zu tun haben. Haben wir aber nicht. Es interessiert die Argumentierenden nicht, dass es in der Türkei mehr gutbezahltes weibliches Lehrpersonal in ingenieurwissenschaftlichen Fächern gibt als in der Bundesrepublik, dass das staatliche Verbot von Homosexualität erst mit den Kolonialherren in die Kolonien Englands kam, die heute wieder gewaltvoll »zivilisiert« werden sollen, damit sie irgendwann auch schwule Helden in der Sitcom oder Frauen im Militär haben können, dass, dass, dass…

Tendenziell christlich

In der Bundesrepublik sind Staat und Kirchen massiv miteinander verfilzt. Trotz der im Grundgesetz festgeschriebenen Trennung subventioniert der Staat die christlichen Kirchen, denen auch laut aktuellem Koalitionsvertrag »eine unverzichtbare Rolle bei der Vermittlung der unserem Gemeinwesen zugrunde liegenden Werte« zukommen – 1 mit Milliarden. Zu staatlichen und semi-staatlichen Anlässen gibt es ökumenische Gottesdienste, ohne dass die Frage auftauchte, wer denn Teil dieser Ökumene sein soll. Die Frage ist seit mehreren Jahrhunderten entschieden und muss offensichtlich nicht neu debattiert werden. Krankenhäuser, Seniorenheime, Kindergärten, Schulen, Beratungsstellen und viele andere Einrichtungen werden vom Staat finanziert, ohne dass er sich dafür interessierte, wie dort die Curricula und Angebote konzipiert sind.2 Als sogenannte »Tendenzbetriebe« haben die christlichen Kirchen als Arbeitgeber«innen« jetzt explizit das Recht, bestimmte Menschen zu diskriminieren – nicht trotz, sondern gerade wegen des ansonsten so »Allgemeinen« Gleichbehandlungsgesetzes (AGG, § 9). Kein Problem, wenn da Frauen mit Kopftuch, Nicht-/Anderskonfessionelle oder Homosexuelle mit eingetragener Lebenspartnerschaft nicht arbeiten dürfen, weil die Arbeit als »verkündungsnah« definiert wird. Kein Problem zumindest für die Bundesrepublik, die die Antidiskriminierungsrichtlinien der EU ohnehin nur sehr zögerlich und auf Sparflamme umgesetzt hat. Ähnlich weitreichende Ausnahmen für Parteien, Gewerkschaften oder etwa Medien, für die weltanschauliche Fragen ja auch nicht uninteressant sind, gelten laut AGG nicht. Mithin stellen die christlichen Großkirchen in der Bundesrepublik sozial und politisch, vor allem aber ökonomisch, einen wichtigen Machtfaktor dar. Theologische Argumente zählen schon längst nicht mehr, genauso wenig wie die tatsächliche Zahl der Kirchenmitglieder. Keine Partei, die in einem Landesparlament oder im Bundestag vertreten ist, propagiert die Entflechtung – denn statt den Politikteil in den Zeitungen mit diesem unappetitlichen Thema zu füllen, bei dem nicht absehbar ist, wie die Mehrheit der Wahlberechtigten tickt, bieten sich vermeintlich wichtigere Debatten viel vordringlicher an: »der Islam«, dieser und jener Preis für Necla Kelek, der »interreligiöse Dialog« und natürlich die Grundfesten »unserer Kultur«. Aber bitte im Kulturteil.

»Wenn die schlecht sind, müssen wir gut sein«

Die Rede über die »Anderen« erspart der Mehrzahl die Beschäftigung mit sich selbst. Sie »weiß« meistens nicht einmal, dass sie weiß, christlich sozialisiert, nicht »behindert«, heterosexuell und an maskulinen Wertvorstellungen orientiert lebt. Wer »Ehrenmorde« zu debattieren hat, braucht sich keine Gedanken darüber zu machen, dass 80% aller ermordeten Frauen von ihren (Ex-)Partnern oder Familienmitgliedern ermordet werden. Nur ist es dann die Tat eines vermeintlichen Einzeltäters und nicht einer »Kultur« oder »Religion«. Obschon »Familientragödien« oder »Eifersuchtsdramen« ähnlich unabwendbar scheinen wie »Ehrenmorde«, wissen alle, was schwerer wiegt. Wer anklagend oder Sozialarbeit fordernd arabisch-stämmige Jugendliche besprechen kann, muss sich irgendwann vielleicht nicht mehr erinnern, dass die Polizei auch schon vor der zweiten Intifada vor jüdischen Einrichtungen überall in der Bundesrepublik postiert war – und zwar nicht aus »[b]esondere[r] Verantwortung (…) für die jüdischen Gemeinden als Teil unserer Kultur«, sondern aus Angst vor schlechter Presse im Ausland, falls die Volksgemeinschaft mal wieder tabula rasa machen will. Wer so tut, als gäbe es »unsere Gesellschaft« mit »unseren Werten« ohne ihre parzellierten Interessengruppen und ihre sozialen Disparitäten, braucht nicht zu sagen, ob Menschen, die einwandern, sich an antisemitischen Stammtischen beteiligen oder lieber philosemitische Sonntagsreden hören sollen – vielleicht sogar aber auch beides. Das Bekenntnis zur »Integration« muss reichen. Den Rest besprechen wir am Sankt-Nimmerleins-Tag. Vielleicht bei einem Erfrischungsgetränk im Augsburger Zoo, wo noch im Jahr 2005 – gerade war die Bundesrepublik offiziell zum »Zu-»Wanderungsland geworden – die besonders originelle Idee aufkam, ein »African Village« zu installieren, in dem Schwarze inmitten anderer kurioser Geschöpfe »die Atmosphäre von Exotik« vermitteln sollten. Im Zoo. «Integration« und »Islam« sind die zwei Begriffe, anhand derer systemimmanente («wesentliche») Missstände ganz bequem ausgeblendet werden. Der verkürzende Diskurs über Einwanderung, der in diesen Abstrusa in Reinform vorlieg, erspart der ganzen Gesellschaft qualvolle Debatten darüber, was sie jenseits ihrer fiktiven ethnischen Homogenität denn sein will. Die Gemeinschaft der »Deutschen« stellt auch über 60 Jahre nach der Republikgründung einen größeren Wert dar als irgendein gesellschaftliches Ideal.3

Symmetrie hat ihren Preis – vielleicht sogar mehrere

Der Islam als Religionsgemeinschaft ist nicht homogen – und noch weniger ist es die Schar der »Muslime«. Da es religionsimmanent keine formalisierte Mitgliedschaft gibt, wird zunächst einmal jedes Kind von Muslimen als muslimisch betrachtet – und wenn eine Person sich entscheidet, nicht (mehr) »muslimisch« zu sein, ist sie es nicht. Kein Amtsgericht entscheidet in keinem Land darüber, wer, warum, ab wann »nicht mehr muslimisch« ist. Was das heißt, muslimisch sein oder nicht sein – sozial, politisch, theologisch, lebensweltlich –, ist damit längst nicht gesagt: »Der« Islam existiert nicht – es sei denn, das Innenministerium möchte, dass »er« existiert – mit einer Adresse und mit einer Telefonnummer. Aber selbst die von Wolfgang Schäuble einberufene Islamkonferenz ist dem Begriff der Religionsgemeinschaft abgekupfert, der an christlicher Religionsorganisation gebildet ist. Symmetrie hat ihren Preis. Das Besondere hat in »unserer« Kultur von jeher keinen Platz. Es existieren international Konflikte, die von manchen als »anti-imperialistischer Kampf« und anderen als »Zusammenprall der Zivilisationen« gehandelt werden. Hamas und die Huntington-Schule verfolgen – wie die anderen an den Polen positionierten Akteure – manifeste Interessen jenseits von »Kultur« und »Zivilisation«. Beide »Seiten« tun so, als gebe es nur ihre oder die andere Position, entweder »den Westen« oder »den Islam«. Nicht anders ist es auf einzelstaatlicher Ebene. Während die Debatten im Vereinigten Königreich und in Frankreich immer auch Auseinandersetzungen mit der eigenen Kolonialgeschichte darstellen, haben sie in den Niederlanden, in Dänemark, in der Schweiz, in Österreich und vor allem in Deutschland eine nationale Funktion. Sie sind immer eine Aussage zum Selbstbild des Nationalstaats mit überkommener Homogenitätsvorstellung. Anhand dieser Debatten entscheiden sich Fragen von Zugehörigkeit; hieran entscheiden sich Einschränkungen elementarer Rechte (Wen darf ich heiraten? Wann/Durch wen darf meine Wohnung / mein PC durchsucht werden? Welche Sprache darf ich auf dem Schulhof sprechen? usw.); hieran entscheidet sich, wie wir, alle wie wir sind, miteinander zusammenleben wollen – unabhängig von Herkunft, Religion oder Weltanschauung.4

Ethno-Muslime: nichts Neues

Wir sind hierzulande noch sehr einer Gruppen-Soziologie verhaftet. Die Selbstzuschreibungen («wir« und alles mit »unsere») und alle Fremdzuschreibungen gehen aus von »Ethnien« – und »die Muslime« werden im Diskurs so behandelt, als seien sie eine eigene »Ethnie«. Im Zweifelsfall reichen schon dunkle Haare, um die vermeintliche Zugehörigkeit zu ihr zu bestätigen. Statt allerdings konsequent von »Rassismus« zu sprechen, wie es dann geboten wäre, lautet der allzu schnell gefundene Begriff, der die Diskriminierung bezeichnet, »Islamophobie « oder »Islamfeindlichkeit«. Dabei käme es darauf an, diese im Kern rassistische Konstruktion von »wir« und »die Muslime« endlich loszuwerden. Restlos. Wir müssen lernen zu fragen, unter welchen Bedingungen, auf welche Weisen und warum es sich »lohnt«, die Welt ethnisierend (und in der Folge auch ethnisiert) zu deuten. Die alte Macht-Frage also, die bei allen Formen des Rassismus gern ignoriert wird – im Mainstream nicht mehr, aber auch nicht weniger als in der politischen Rec ten oder zum Teil auch in der Linken. Denn das Problem beginnt nicht beim antimuslimischen Rassismus und seinen Protagonist_innen5, es entsteht bereits vorher, bei der 11 | Ausgabe Nr. 56 / 2010 | Schwerpunkt | Einteilung der Welt in »Muslime« und »Nicht-Muslime«, die selbst rassistischer Kategorienbildung folgt. Ob die Gemeinschaft »der Muslime« vom Islamismus, von »besorgten« Moscheebau-Gegner_innen oder aus der diskursiven »Mitte der Gesellschaft« hergestellt wird – immer homogenisiert sie eine außerordentlich heterogene und heterodoxe Zahl von über einer Milliarde Menschen: Zwischen dem bevölkerungsreichsten »muslimischen« Land (Indonesien) und Indien, wo mehr Muslime leben als in der Türkei, sowie Saudi Arabien oder Bosnien-Herzegowina gibt es nennenswerte Unterschiede in allen politischen, sozialen, ökonomischen und sonstigen Bereichen, ganz zu schweigen von den Unterschieden zur Lebensrealität von »Migrant_innen«, die als Repräsentant_innen dieser vermeintlich einen Religion/Kultur wahrgenommen werden. Es geht in allen Debatten über »den Islam« grundsätzlich um mehr: Es geht ums Ganze, das ganz und gar nicht symmetrisch organisiert ist. Wenn das Gespräch um Frauen mit Kopftuch kreist, geht es um alle Geschlechter-Konstruktionen – weiße deutsche Weiblichkeiten / Männlichkeiten werden implizit mitkonstruiert, hetero- wie homosexuelle: »Natürlich« sind diese aufgeklärt(er) und emanzipiert(er), ihr Lebensstil («westlich») ist per se selbstbestimmt. Da es keine Kolonien mehr gibt, müssen die Objekte, die »uns« zu Subjekten machen, jetzt im Inland gesucht werden. Dieser Mechanismus ist heute um nichts origineller als vor 200, 150 oder 100 Jahren. Es geht um die Bedingungen von Bildung, Ausbildung und Arbeit für alle, auch wenn es auf der Oberfläche um die »Bildungsferne« von Migranten-Jugendlichen geht oder ihre »nicht-produktive« Funktion, die nur zum Handel mit Naturerzeugnissen reicht. Anders sind die aktuellen Diskussionen ums Bildungswesen nicht zu erklären.6 Es geht um den Einsatz der Bundeswehr im Ausland (gerechtfertigt u.a. mit Hinweis auf die Menschenrechte von Frauen und Homosexuellen), das Strafrecht und Sicherheitsmaßnahmen im Anti-Terror-Kampf und um vieles, vieles mehr, was gesamt-gesellschaftlich relevant ist. Die Ungleichheit von Arm und Reich wird derweil immer eklatanter. Die Ungleichheit von Frauen und Männern sowie insgesamt traditionelle Geschlechter- und Familienkonstruktionen werden in Zeiten ökonomischer Krisen wieder und wieder aufs Neue begründet. Die Andersartigkeit von Homosexuellen wird durch das Zweite-Klasse- Sonderrecht der eingetragenen Lebenspartnerschaft nicht aufgehoben, sondern zementiert. Die Aussicht auf Chancengleichheit rückt für die unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen immer weiter außerhalb ihres Horizonts; ganze Landstriche und Bevölkerungsgruppen werden abgehängt. Vor dem Hintergrund einer immer komplexer werdenden Welt und auf nationalstaatlicher Ebene gesamt-gesellschaftlicher Desintegration bevorzugen wir die Lebenserhaltung einer Ersatzdebatte, die die Bevölkerung in künstliche Blöcke einteilt: hier die soziale und politische Einheit »der Muslime«,  ort – unmarkiert – »wir«. Wann lernen wir, über unsere realen Asymmetrien zu sprechen?

Der Autor arbeitet bei GLADT

verwendete Primärquellen:

1 Aus dem 10. Abschnitt »Religion, Geschichte und Kultur; Sport/Religionsgemeinschaften « des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und FDP: »Den Christlichen [Großschreibung im Original] Kirchen kommt eine unverzichtbare Rolle bei der Vermittlung der unserem Gemeinwesen zugrunde liegenden Werte zu. Wir wissen, dass auch andere Religionen Werte vermitteln, die einen positiven Einfluss auf unsere Gesellschaft haben. Wir achten alle Religionszugehörigkeiten. Besondere Verantwortung tragen wir für die jüdischen Gemeinden als Teil unserer Kultur. Wir werden den Dialog mit den Kirchen, Glaubensgemeinschaften und religiösen Vereinigungen noch stärker betreiben.« zurück

2 Die Liste der Privilegien der christlichen Großkirchen ist lang und wäre mehrere eigene Artikel wert. Von der Besoldung von Bischöfen, Domherren etc. durch Steuergelder der Allgemeinheit (nicht: Kirchensteuer) über die Förderung von Kirchentagen und Priesterseminaren, Militär-, Gefängnis- und Polizei-Seelsorge bis hin zum Religionsunterricht an staatlichen Schulen, der vom Staat bezahlt wird… Statt das »Reichskonkordat« zwischen Hitler-Deutschland und dem Heiligen Stuhl aufzulösen, wie es etwa Italien und Spanien getan haben, hat sich die Bundesrepublik entschlossen, es nach dem Krieg einfach auf andere Religionen (die protestantischen vor allem) auszuweiten. zurück

3 Die Volksgemeinschaft, die sich heute nicht mehr so nennen möchte, besteht nach wie vor aus einer bestimmbaren Gemeinschaft von »Deutschen«. Je höher es in ihren Hierarchien geht, desto weniger Frauen, ethnische, religiöse und andere »Minderheiten« kommen in ihr vor. Politik, Medien, Wirtschaft, Gewerkschaften, Wissenschaft und viele andere zentrale Bereiche sind sehr homogen organisiert – auch wenn Selbstabsonderung, »Parallelgesellschaften« etc. gern als Erfindung von Einwanderungs-Communities aus bestimmten Ländern diskutiert werden. Die Zugehörigkeit entscheidet sich nach Konjunkturen, die vielleicht nicht einmal den (potentiell) Zugehörigen klar sind. Geht es um ein »Islam»-Bashing, darf gern Henryk M. Broder dabei sein, der ansonsten durch die binäre Einteilung in »Deutsche« oder »Juden« durchfallen würde. Es ist geradezu betörend, wie durch die »Islam»-Debatten eine friedvolle christlich-jüdische Geschichte konstruiert wird, die gänzlich ohne Pogrome, Vertreibungen und Shoa auskommt. zurück

4 Längst überschneiden sich die Kategorien, weil weiße deutsche Konvertiten zum Islam als »Migranten« wahrgenommen werden – genauso wie alle Menschen aus mehrheitlich muslimischen Ländern, Schwarze und People of Color unabhängig von ihrer Religion als »Muslime«. Es ist, wie sooft, nicht die individuelle Zugehörigkeit, sondern die kollektive Zuschreibung, die sozial über Gruppenzugehörigkeit entscheidet. Theologische Erwägungen sind dabei gänzlich irrelevant; es sind gesellschaftliche und politische Identitäten, von denen gesprochen wird, wenn es um »christlich-abendländisch« oder »muslimisch« geht. zurück

5 «Protagonist_innen« sind hier u.a. rechtspopulistische Parteien und »Bewegungen« wie auch gewisse so genannte »Antideutsche«, feministische oder schwule Aktivist_innen, die sich durch die Beschwerde über »den Islam« oder »die Muslime« das Eintrittsticket für die Mitte der Gesellschaft sichern wollen. Es ist zwar absehbar, dass dort alle Logenplätze bereits vergeben sind, aber vielleicht lassen sich nach dem Hype in den hinteren Reihen doch noch Bestände sichern... zurück

6 Während die »(integrierte) Gesamtschule« von nicht wenigen als kommunistisches Machwerk verschrien war und keine Chance auf flächendeckende Einführung gehabt hätte, sind »Gemeinschaftsschulen« und eine zweigliedrige Oberschulstruktur ohne Hauptschule jetzt en vogue. Es sind auch hier die gerade noch funktionieren Eliten der weißen Mittelschicht, die zum Trost gern wenigstens die Zusage hätten, dass ihre Kinder nach wie vor in homogen weißen Klassen unterrichtet werden können. zurück

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