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Auf dem Sprung

in den Landtag?

Richard Gebhardt

Die NPD habe ihre Strategie fortgesetzt, sich in der »Mitte der Gesellschaft« einzunisten, sagte Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) Mitte Mai bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichts 2007. Grund für Schäubles wiederholten Hinweis auf die Verankerung der extremen Rechten auch außerhalb jugendlicher Subkulturen, ist das anhaltende Bemühen der »nationalen Kräfte«, sich durch Nachhilfeangebote, Arbeitslosenberatung und Nachbarschaftshilfen eine bürgerliche Reputation zu verschaffen. Die modernen Neonazis treten
vor Ort längst als »Typus netter Schwiegersohn « (so Winfriede Schreiber vom brandenburgischen Verfassungsschutz) auf und organisieren eine »braune Caritas«, die die Leerstellen ausfüllt, die die Deregulierung des Sozialstaats, behördliche Ignoranz sowie fehlende zivilgesellschaftliche Gegenwehr hinterlassen haben. Mit Erfolg: Bis zu 30 Prozent der Stimmen erhielt die NPD bei den Kommunalwahlen Ende September in den abgehängten Randregionen Brandenburgs.

Faschisierung der Provinz

Die »Faschisierung der ostdeutschen Provinz« (Toralf Staud) geht nach den Kommunalwahlen in Brandenburg weiter. Der nach offiziellen Angaben 250 Mitglieder starke NPD-Landesverband konnte unter dem Vorsitz des Pressesprechers des Bundesverbands der Nationaldemokraten, Klaus Beier, seine Position ausbauen. Immerhin 101189 Stimmen holte das Bündnis aus NPD und Deutscher Volksunion (DVU) – rund zweieinhalb Mal so viele wie bei den Kommunalwahlen 2003! In Prozenten holte die NPD 1,8 Prozent (plus 0,5 Prozent), die DVU stieg auf 1,6 Prozent (plus 0,6). Insgesamt erzielte die NPD knapp 30 kommunale Mandate.

Ausgezahlt hat sich die völkische Aufladung der sozialen Frage. »Sozial geht nur national«, war das Motto des 32. Bundesparteitags der NPD Ende Mai 2008 in Bamberg. Slogans wie diese haben die extreme Rechte auf dem Terrain der neuen Bundesländer hoffähig gemacht. NPD-Generalsekretär Peter Marx bekräftige in seinem Wahlrückblick diesen Kurs: »Nach dem Zusammenbruch weltweit operierender Banken wird immer deutlicher, dass die NPD-Aussage ›sozial geht nur national‹ die richtige Antwort auf die gescheiterte Globalisierung ist.«

Im Land Brandenburg, wo die NPD bei der Bundestagswahl 2005 in mehreren Dörfern bis zu 14 Prozent der Stimmen erreichte (bei 1,6 Prozent der Stimmen bundesweit), soll auch der Boden für eine mögliche Kandidatur für die 2009 stattfindenden Landtagswahlen vorbereitet werden. Aller dings ist die NPD in Brandenburg personell weniger stark verankert als in Mecklenburg-Vorpommern oder im Bundesland Sachsen. Zwar versucht die Partei durch Demonstrationen gegen Stellenabbau in der märkischen Region, die Präsenz bei Volksfesten, Kampagnen gegen Sexualstraftäter sowie die Unterwanderung von Bürgerinitiativen (in der Lausitz arbeiteten Parteikader beispielsweise daran, eine Initiative gegen Braunkohletagebau zu dominieren), ihrem Personal eine regionale Reputation zu verschaffen. Doch die NPD steht in Brandenburg vor allem vor strukturellen Schwierigkeiten.

Das Bundesland ist noch eine »Hochburg« der Deutschen Volksunion (DVU), die bei den letzten Landtagswahlen 6,1 Prozent der Stimmen erhielt. Im Rahmen des »Deutschland-Pakts«, der 2005 vollmundig von Gerhard Frey (DVU) und NPD-Chef Udo Voigt mit dem Ziel der Beendigung der wahlpolitischen Konkurrenz verkündet wurde, ist der märkische Raum bis 2009 offiziell erstes Zugriffsgebiet der Briefkastenpartei des Münchner Verlegers Frey. Da die DVU jedoch kaum Präsenz außerhalb des Sitzungsaals zeigt, hat die NPD durch ihre offensive Basisnähe einen strategischen Vorteil. Bei den Kommunalwahlen zeigten sich erste Risse: Die NPD kandidierte in Brandenburg nicht wie vorgesehen flächendeckend mit der DVU für die Kreistage, in Oder-Spree kandidierten beide Parteien sogar gegeneinander.

Ouvertüre rechter Grabenkämpfe

Im »Kampf um den organisierten Willen« wird gegenwärtig ein neues Kapitel aufgeschlagen. Die »Volksfront von rechts« bleibt nach der Kommunalwahl in Brandenburg umstritten. Vor diesem Hintergrund bleibt der relative Erfolg für die NPD in Brandenburg ambivalent. Die Parteistruktur muss in Brandenburg erst weiter gefestigt werden; akzeptierte und bekannte Multiplikatoren sind auf den Dörfern noch zu wenig etabliert. Erst diese aber können das vorhandene Potenzial vollständig aktivieren. Laut einer im Januar veröffentlichten emnid-Umfrage könnte die NPD bis zu 4 Prozent der Stimmen erreichen – trotz der Konkurrenz durch die DVU sowie ohne breiten Wahlkampf oder ein Landtagsmandat. Unter männlichen Wählern zwischen 18 und 30 Jahren erreichen die Neonazis sogar fast 15 Prozent. Schlagkräftig im Wortsinne bleibt das in der NPD repräsentierte neonazistische Milieu auch ohne einen fertigen Parteiapparat:

Nach Angaben der Opferperspektive Brandenburg stieg die Zahl der Gewalttaten mit rechtsextremem Hintergrund auf 137 Delikte. Der NPD-Vorsitzende Klaus Beier, gegen den unter anderem ein Verfahren wegen Hausfriedensbruchs läuft und der wegen Hausfriedensbruch verurteilt wurde, kann in einzelnen Regionen trotzdem als wahrer Hüter von Recht und Ordnung auftreten.

Ein Blick auf das rechte Personal zeigt, wer vor Ort als wählbar gilt. Zu Brandenburgs netten nationalen Schwiegersöhnen gesellt sich zum Beispiel in Guben als gewählter Stadtverordneter der NPD Frank Hübner, der ehemalige Bundesleiter der 1992 wegen rassistischer Gewalttaten verbotenen Deutschen Alternative (DA). In Guben, wo 1999 der Algerier Omar Ben Noui nach einer Hetzjagd auf Flüchtlinge tödlich verletzt wurde, erreichte die NPD 4,3 Prozent. Einer der nationaldemokratischen Kandidaten für den Gubener Stadtrat war bei den Kommunalwahlen Alexander Bode, der knapp scheiterte. Bode war einer der Haupttäter der Gubener Menschenjagd. Solange das politische Wirken der NPD in den Problemregionen als Normalzustand durchgeht und die völkische Umdeutung der sozialen Frage als legitim gilt, existiert ein gesellschaftliches Umfeld, aus welchem rechte Wahlparteien ihre Stimmen erhalten können. Dieses Umfeld lässt sich auch durch rassistische Gewalt nicht abschrecken: 9,24 Prozent erhielt die NPD im Stimmbezirk um den Gubener Tatort. Trotz Bodes Kandidatur für den Stadtrat.

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